Rüttgers taucht ab - Rätseln um Rücktrittsangebot
Düsseldorf. Wo ist Jürgen Rüttgers? Das ist amSonntagabend die meist gestellte Frage im nordrhein-westfälischenLandtag in Düsseldorf. Nach der Abwahl von Schwarz-Gelb macht sich dertief enttäuschte Ministerpräsident rar auf den Fluren.
Nachdem sich dieschlechten CDU-Ergebnisse mit einem Absturz um zehn Prozentpunktestabilisieren, will Rüttgers auch nicht mehr ins Fernsehen. Am späterenAbend lässt er sich in den großen TV-Runden mit den Spitzenkandidatender Parteien von CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid undNRW-Integrationsminister Armin Laschet vertreten.
Als Wahlsiegerin wird dagegen Rüttgers' Herausforderin Hannelore Kraftvon einem enormen Medienpulk über die Gänge von Interview zu Interviewgeschoben. Die Blitzlichter leuchten um die Wette mit dem strahlendenLächeln auf ihrem Gesicht. Freude auch beim Chef der NRW-Linkspartei,die den Hochrechnungen zufolge den Einzug in den Landtag geschafft hat.Wolfgang Zimmermann feiert den Erfolg mit der im knallroten Kostümerschienenen stramm linken Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht.
Im abgeschirmten Bürotrakt des Ministerpräsidenten im Landtag berätRüttgers unterdessen hinter verschlossenen Türen und abgeschirmt vonSicherheitsleuten mit seinen Vertrauten. „Es ging ihm schon malbesser“, sagt CDU-Landtagsfraktionschef Helmut Stahl, als erhinaustritt.
Eine bizarre Szene bietet der CDU-Bundestagsabgeordnete WolfgangBosbach: Er sitzt einsam in der Garderobe vor Rüttgers' Büro zwischenMänteln und telefoniert. Für den gestandenen CDU-Politiker ist dieFormel des Misserfolgs klar: „50 Prozent Schwarz-Gelb im Bund, 25Prozent hausgemacht mit der Sponsorenaffäre und 25 ProzentGriechenland.“
Ein Rücktritt des CDU-Landesvorsitzenden Rüttgers steht für Bosbachnicht zur Debatte. „Wir gewinnen und verlieren gemeinsam.“ VerschiedeneVersionen kursieren am Abend, ob Rüttgers nach den hohen Verlusten fürseine Partei dem engeren Landesvorstand bereits seinen Rücktrittangeboten hat.
„Ja, er hat seinen Rücktritt angeboten, und der Vorstandhat das einstimmig abgelehnt“, berichtet der Europa- Abgeordnete ElmarBrok vor laufenden Kameras. Unter der Hand wird diese Version ausCDU-Kreisen bestätigt. Krautscheid dementiert dagegen. Und Laschetformuliert: „Wir haben ihm alle gesagt, dass er über solche Fragennicht nachdenken sollte.“
Rüttgers selbst sagt in seiner ersten Stellungnahme nach den frühenPrognosen: „Es ist ja noch nicht klar, wie eine stabile Regierung inNordrhein-Westfalen zustande kommt. Ich werde mich für die notwendigenGespräche zur Verfügung stellen und für die CDU führen.“
Ob am Ende eine große Koalition stehe könnte, bleibt am Wahlabendoffen. „Ich werde jetzt nicht über Koalitionen spekulieren“, sagt Kraftlachend in die Mikrofone. Der scheidende CDU-Fraktionschef Helmut Stahlmeint dagegen: „Alles ist vorstellbar - außer mit den Linken.“
Am frühen Abend verschwindet Rüttgers auf verschlungenen Wegen ebensounbemerkt aus dem Landtag wie er gekommen ist. Wohin, wollen seineVertrauten nicht verraten. Die kargen Auskünfte reichen von: „Er istnach Hause gefahren“ bis hin zu „Er war eben hier und ist da rübergelaufen.“ Tatsächlich rauchen ein paar Straßen weiter schon die Köpfein der CDU-Zentrale. Rüttgers sei dabei, heißt es - gesehen hat ihnwieder keiner.