Die Freien Wähler in der Krise: Euroskeptiker zerfleischen sich
Die Freien Wähler verlieren ihren Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl. Massenübertritt zur Konkurrenz in Berlin.
Berlin. Die Strategen in den Parteizentralen von CDU und FDP können für den 22. September schon eine Sektflasche mehr kaltstellen. Die Gefahr, dass ihnen euroskeptische Parteien bei der Bundestagwahl Stimmen abnehmen, ist in der Osterwoche deutlich kleiner geworden.
Die Freien Wähler, die lange Zeit als aussichtsreichste Konkurrenz rechts von der Union galten, zerreiben sich zunehmend in internen Querelen. Und nun wirbt mit der „Alternative für Deutschland“ noch eine zweite Anti-Euro-Partei um Stimmen.
Der schlimmste Rückschlag für die Freien Wähler aber ist der Verlust ihres Bundestags-Spitzenkandidaten, des Adenauer-Enkels Stephan Werhahn. Der 59-Jährige teilte vor ein paar Tagen mit, dass er wieder zur CDU zurückgehe.
Wehrhahn kritisierte, dass der Bundesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, kein Interesse an einer Kooperation mit der „Alternative für Deutschland“ habe. Wenn die beiden eurokritischen Parteien aber ihre Kräfte nicht bündelten, blieben sie unter fünf Prozent und seien so am Ende nur „Wegbereiter für eine Wende zum rot-rot-grünen Lager“.
Außerdem bescheinigte der einstige Spitzenkandidat seiner alten Partei, dass bei ihr eine Kampagnenfähigkeit „schlicht nicht gegeben“ sei. Zu Werhahns Übertrittsmotiven gehört offenbar auch die Aussicht auf ein CDU-Bundestagsmandat in Baden-Württemberg.
Aiwanger reagierte nach außen gelassen. Man nehme den Schritt „mit Bedauern zur Kenntnis“, erklärte der Chef der Freien Wähler. Ansonsten gingen die Vorbereitungen zur Teilnahme an der Bundestagswahl aber „unabhängig von diesem Schritt weiter“.
Der Vorstand traf sich an Karfreitag in Regensburg und verabschiedete einen Etat für den Bundestagswahlkampf. „Damit sind wir“, meinte Parteivize Rüdiger Krentz gegenüber unserer Zeitung, „sehr gut aufgestellt“. Doch tatsächlich brennt es bei den Freien Wählern lichterloh.
Aiwangers Versuch, aus der ursprünglich rein kommunalpolitischen Bewegung, mit der er in Bayern den Einzug in den Landtag schaffte, eine Bundespartei zu machen, droht das Scheitern. Noch sind nämlich längst nicht in allen Ländern Listen für die Bundestagswahl aufgestellt. Und nicht überall finden die oft konservativen Mitglieder der Freien Wähler die Idee gut, Merkels CDU Konkurrenz zu machen.
Außerdem ist Aiwanger wegen seines Führungsstils umstritten. So fordert der saarländische Landesverband sogar den „sofortigen Rücktritt“ des Vorsitzenden. Aiwanger agiere eigenmächtig und unprofessionell und verschwende seine Zeit „im gnadenlosen Kampf gegen innerparteiliche Kritiker bis in den kleinsten Ortsverband“, so die harsche Kritik der Saarländer.
In Berlin traten an Karfreitag gleich 30 Freie Wähler, darunter auch der Landesvorsitzende Christian Schmidt, zur „Alternative für Deutschland“ über. „Leider sind wir in unseren Bemühungen, die Parteispitze der Freien Wähler zu einer Zusammenarbeit mit der ,Alternative für Deutschland’ zu bewegen, gescheitert“, begründete Schmidt den Schritt.
Weil er und einige andere der Übergetretenen schon als Bundestagskandidaten aufgestellt waren, ist die gerade erste beschlossene Berliner Landesliste schon wieder Makulatur. Der Sprecher der „Alternative für Deutschland“, Bernd Lucke, bejubelte die Übertritte sofort als „Konsolidierung der euroskeptischen Kräfte in Deutschland“ und lud alle anderen Freien Wähler ein, sich ebenfalls seiner Gruppierung anzuschließen. Außerdem vermeldete seine Organisation Übertritte zweier langjähriger FDP-Mitglieder in Münster und Stuttgart.