Endlich perfekt: Mehr Hartz IV und Bildungspaket
Berlin (dpa) - Für rund 4,7 Millionen erwachsene Hartz-IV-Empfänger gibt es etwas mehr Geld. Rückwirkend zum 1. Januar erhalten sie für ihre Existenzsicherung 364 Euro im Monat, 5 Euro mehr als bisher.
Anfang 2012 gibt es noch einen Zuschlag von mindestens weiteren 3 Euro.
Am Freitag nahm das lange umstrittene Gesetzespaket die letzten parlamentarischen Hürden. Bundesrat und Bundestag stimmten mit großen Mehrheiten einem Kompromiss zu, der erst zwei Tage zuvor im Vermittlungsausschuss zustande gekommen war.
Wahrscheinlich werden sich die Verfassungsrichter in Karlsruhe aber schon bald wieder mit dem Gesetz befassen müssen. Linke und Grüne machen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuberechnung des Regelsatzes geltend.
Der Nachschlag von 15 Euro für 3 Monate sowie der erhöhte Regelsatz werden Anfang April ausbezahlt, sagte der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit verbindlich zu.
Daneben gibt es für etwa 2,5 Millionen bedürftige Kinder Leistungen aus dem neuen, mit 1,6 Milliarden Euro dotierten Bildungspaket. Für 1,2 Millionen Beschäftigte in drei Branchen - darunter die Zeitarbeit - soll es Mindestlöhne geben.
Aus Gründen der Koalitionsdisziplin enthielten sich Berlin, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland im Bundesrat der Stimme. In diesen Ländern sitzen Grüne oder Linke mit in der Regierung. Im Bundestag gab es eine deutliche Mehrheit: In namentlicher Abstimmung votierten 433 Abgeordnete dafür. Es gab 132 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) räumte Zweifel an der verfassungsfesten Berechnung des Regelsatzes ein. Er sehe „nicht ohne Sorge“ der Überprüfung des Verfassungsgerichts entgegen. Die Einigung sei ein gutes Zeichen für die Demokratie, aber „es war die allerletzte Minute, wenn wir nicht sehr viel Reputation hätten verspielen wollen in der Bevölkerung“. Er sprach von einem guten Kompromiss.
Sein Amtskollege aus Bayern, Horst Seehofer (CSU) sagte, die Einigung sei nur möglich gewesen, „weil es im Vermittlungsausschuss eine „sehr geschlossene Haltung der Bundesländer gab“. Dort hatten diese dem Bund noch Zugeständnisse bei der finanziellen Umsetzung des Bildungspaketes abgerungen. Man habe beim Bildungspaket eine „ausgewogene und sachgerechte Lösung“ gefunden.
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU) sagte, es sei kein Gnadenakt des Bundes gewesen, dass dieser die Kommunen von den Milliardenkosten der Grundsicherung für arme Rentner übernehme. Beck, Böhmer und Seehofer hatten die festgefahrenen Verhandlungen vor zwei Wochen im Rahmen des zweiten Vermittlungsverfahrens wieder in Gang gebracht.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zeigte sich erleichtert, dass sich nach dem langen Streit „am Ende eine Allianz der Vernünftigen gefunden hat“. Hauptgewinner seien Kinder und Kommunen. Städte und Gemeinden werden nach ihren Worten bis 2020 vom Bund um 52 Milliarden Euro entlastet. Die Bedenken von Teilen der Opposition wies sie zurück: Der Regelsatz sei - wie von den Verfassungsrichtern gefordert - transparent und nachvollziehbar berechnet. „Wir können jetzt zu dem Ergebnis stehen.“
SPD-Vize Manuela Schwesig, die lange die Verhandlungen für die SPD führte, sprach von einem guten Kompromiss. Die harten und zähen Verhandlungen bis auf die letzten Meter hätten sich am Ende vor allem für die bedürftigen Kinder gelohnt. Auch sie äußerte - wie auch andere SPD-Sprecher - Zweifel am Regelsatz. „Sozialpolitische Geschichte haben wir heute hier nicht geschrieben.“
Für FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger hat die schwarz-gelbe Koalition „den Kurs der Vernunft und der Verfassungskonformität in diesem Verfahren durchgesetzt“. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi nannte es unverantwortlich, dass führende SPD-Politiker trotz verfassungsrechtlicher Bedenken der Neuregelung zustimmten. Union, SPD und FDP „haben sich auf dem Rücken der Schwächsten in der Gesellschaft auf ein verfassungswidriges Gesetz verständigt“.
Die kommunalen Spitzenverbände lobten den Beschluss. Dagegen äußerten sich Sozialverbände und die Diakonie enttäuscht über den für sie nicht bedarfsgerechten Regelsatz. Sie setzen wie die Opposition und Teile der SPD auf eine Korrektur durch das Verfassungsgericht.