Faktencheck Sind Ausländer häufiger kriminell als Deutsche?
Berlin · Auch ein Jahr nach der Tat ist der Mordfall in Kandel unvergessen. Solche Gewalttaten von Flüchtlingen erregen oft besonders viel Aufmerksamkeit. Begehen Ausländer - vor allem Flüchtlinge - häufiger Straftaten als Deutsche? Ein Faktencheck.
So mancher Kriminalfall hat in diesem Jahr die Deutschen verstört. Da war zum Beispiel der Mord an der Tramperin Sophia: Ein marokkanischer Fernfahrer soll sie getötet haben. Da war die tödliche Messerattacke auf Daniel H. in Chemnitz: Tatverdächtig sind zwei Iraker und ein Syrer. Und da war die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung in Freiburg: Verdächtigt werden ein Deutscher und eine Gruppe Syrer. Meldungen über Fälle wie diese nähren die Angst vor Kriminalität - und vor Ausländern als Tätern. Aber sind Ausländer tatsächlich krimineller als Deutsche?
BEWERTUNG: Die Frage lässt sich nicht seriös mit Ja oder Nein beantworten. Dafür ist sie viel zu pauschal gestellt. Dennoch kann man sich dem Problem nähern, wenn man einige Zahlen betrachtet.
FAKTEN: Ob Fahrradklau, Einbruch oder Körperverletzung:
Wer sich mit Straftaten in Deutschland beschäftigt, kommt um die Polizeiliche Kriminalstatistik nicht herum. Sie macht deutlich, wie viele Tatverdächtige es zu welchen Straftaten in Deutschland gibt. Ausländer stellten demnach im Jahr 2017 zwar nur rund 13 Prozent der Bevölkerung, aber in 34,8 Prozent aller Fälle mindestens einen Tatverdächtigen. Der Anteil von Ausländern an den Verurteilten (32,5 Prozent) ist laut Statistischem Bundesamt fast genauso hoch.
Doch die Kriminalstatistik hat ihre Tücken. So gibt sie zwar einen Überblick über die Zahl tatverdächtiger Ausländer. Zu den Ausländern in Deutschland gehören allerdings spanische Ehefrauen von Deutschen und Asylbewerber aus Eritrea genauso wie Geschäftsreisende aus Polen und Fernfahrer aus Frankreich. Bei mehr als 37 Millionen Ankünften von Touristen pro Jahr kann auch der eine oder andere Besucher straffällig werden. Deshalb darf man die Zahl der ausländischen Tatverdächtigen nicht einfach ins Verhältnis zur ausländischen Wohnbevölkerung setzen.
Außerdem führt das BKA nicht die Straftaten auf, die Deutsche im Ausland begehen. Auch das verzerrt die Statistik. Um das an einem Vergleich zu zeigen: In Österreich wohnten im Jahr 2017 knapp 190 000 Deutsche, und im selben Jahr gab es rund 10 000 deutsche Tatverdächtige in Österreich. Statistisch gesehen macht das einen Tatverdächtigen unter zwanzig Deutschen. Damit wären Deutsche in Österreich deutlich krimineller als in ihrem Heimatland. Aber die Rechnung hat eben einen Haken: Auch Österreich ist ein beliebtes Urlaubsland, das viele nur kurz besuchen.
Gleichwohl gilt: Im internationalen Vergleich hat Deutschland in der Tat eine sehr geringe Kriminalitätsrate. Ein durchschnittlicher Einwohner Deutschlands begeht also weniger Straftaten als ein Mensch, der im Ausland lebt.
Verengt man nun den Blick auf die Kriminalität von sogenannten Zuwanderern in Deutschland, lassen sich genauere Aussagen treffen. Das Bundeskriminalamt (BKA) versteht unter dem Begriff Zuwanderer allerdings etwas anderes als der Duden und das Statistische Bundesamt. Für das BKA sind damit hauptsächlich Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Geduldete gemeint.
Zuwanderer sind vor allem bei Mord und Totschlag, bei schwerer Körperverletzung und bei Vergewaltigung deutlich überrepräsentiert. Bei je etwa 15 Prozent dieser Fälle sind Zuwanderer unter den Tatverdächtigen.
Das lässt sich unter anderem mit der Sozialstruktur der Zuwanderer erklären. Ein durchschnittlicher Asylbewerber ist männlich und knapp 30 Jahre alt, also rund 15 Jahre jünger als der deutsche Durchschnitt. Damit gehört er zu einer Bevölkerungsgruppe, die praktisch überall auf der Welt häufiger Straftaten verübt. Junge Männer testen nicht nur gern ihre eigenen Grenzen aus, sondern auch die des Rechtsstaats, in dem sie leben. Das Ergebnis sind besonders oft Gewalt- und Sexualdelikte. Die Zuwanderer sind zudem oft allein nach Deutschland gekommen und haben eine unsichere Zukunftsperspektive - alles Faktoren, die zu einer höheren Kriminalitätsanfälligkeit führen.
Ausländische Täter erscheinen allerdings auch deshalb häufiger in der Statistik, weil sie laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften eher angezeigt werden als Deutsche. Je fremder ein Täter wirkt, desto größer ist die Bereitschaft des Opfers, ihn der Polizei zu melden.
Unter den straffälligen Zuwanderern fällt die hohe Zahl der Mehrfachtäter auf, besonders bei Menschen aus den Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien, aber auch aus Georgien. Einige von ihnen sind geduldet oder gar ausreisepflichtig, wurden also nicht als Flüchtlinge anerkannt. Asylbewerber aus Syrien, dem Irak und Afghanistan werden hingegen deutlich seltener kriminell.
Schaut man allein auf die Zahlen für anerkannte Flüchtlinge, wird deutlich, dass sie im Jahr 2017 gesetzestreuer waren als Deutsche. Ein anerkannter Flüchtling begeht also statistisch gesehen weniger Straftaten als ein Deutscher.