Guttenbergs Image angekratzt - Kritik der Forschung
Berlin (dpa) - Das Image von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bekommt nach der Plagiatsaffäre Schrammen. Der 39-Jährige bleibt nach dem jüngsten ZDF-„Politbarometer“ zwar beliebtester Politiker in Deutschland, aber nur knapp.
Nachdem er seinen Doktortitel wegen unerlaubter Verwendung fremder Texte verloren hat, führt er nur noch mit hauchdünnem Vorsprung vor Kanzlerin Angela Merkel (CDU). In weiteren Arbeiten soll Guttenberg fremde Texte ohne Hinweis verwendet haben.
Guttenberg ist weiter die Nummer eins auf der Liste der beliebtesten deutschen Politiker nach Sympathie und Leistung, fiel aber vom Durchschnittswert 2,0 auf 1,4. Merkel kommt mit einem nur wenig schlechteren Wert auch auf 1,4, ergab das Politbarometer“. 75 Prozent der Bürger finden aber nicht, dass Guttenberg als Minister zurücktreten muss. 60 Prozent sehen ihn immer noch für höchste politische Ämter geeignet. 42 Prozent halten ihn aber für politisch dauerhaft beschädigt.
Guttenberg soll nach Einschätzung von Plagiatsjägern auch in weiteren Arbeiten fremde Textpassagen ohne Hinweis verwendet haben. Die Internet-Plattform GuttenPlag listete zum Beispiel einen Aufsatz von 2004 für die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung zu den Beziehungen zwischen der Türkei und der EU auf. „Spiegel Online“ berichtete, die Vorlage sei ein Strategiepapier der EU-Kommission.
Der frühere Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) bezweifelt nach Angaben von „Spiegel Online“, dass Guttenberg die Fehler in der Doktorarbeit versehentlich unterlaufen sein sollen: „Diese Erklärung ist für mich schwer nachvollziehbar.“ Er kritisierte, dass Merkel zwischen dem Minister und dem Doktoranden unterscheidet: „Man sollte das nicht voneinander trennen - es ist ja ein und derselbe Mann.“ In der FDP-Fraktion gibt es große Zweifel, ob Guttenberg seine Doktortitel-Affäre politisch übersteht.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sagte der „Südwest Presse“ (Samstag): „Er wird als Minister nicht zu halten sein.“ Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Merkel Verantwortungslosigkeit vor, weil sie Guttenberg im Amt lässt. „Ein erfolgreicher Hochstapler hat keine Nachsicht verdient“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.
Mit seinem Brief an die Universität Bayreuth, in dem er mit amtlichem Briefkopf um einen dauerhaften Verzicht auf den Doktortitel bat, verstieß Guttenberg nicht gegen Regeln der Regierung. Weder in der Geschäftsordnung der Bundesregierung noch in der Geschäftsordnung der Bundesministerien seien Regeln zur Verwendung amtlicher Briefköpfen enthalten, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Es gebe auch keine ressortübergreifenden Richtlinien. Die Grünen im Bundestag hatten Guttenberg eine Vermischung von Privatem und Ministeramt vorgeworfen.
Mit seiner Dissertation hat Guttenberg nach Einschätzung des Fachanwalts Jan Bernd Nordemann mehrfach das Urheberrecht verletzt. „In dem Ausmaß mit wörtlicher Übernahme ganzer Absätze aus fremden Quellen ist es Verletzung geistigen Eigentums“, sagte der Spezialist für Urheber- und Medienrecht der Nachrichtenagentur dpa. Ein Vorsatz würde nur in Betracht kommen, wenn Fußnoten wissentlich weggelassen wurden. Dies nachzuweisen sei kompliziert. Sollte sich aber herausstellen, dass zu Guttenberg die eidesstattliche Erklärung zu seiner Arbeit fahrlässig falsch gegeben habe, könne das Folgen haben. Die Justiz hat noch keine formellen Ermittlungen eingeleitet.
Die Wissenschaft zeigt sich entrüstet wegen der Fehler in Guttenbergs Doktorarbeit und dem Umgang damit. Der Deutsche Hochschulverband warf Politikern vor, die Fehler kleinzureden. „Wissenschaft ist kein Sandkasten“, sagte DHV-Präsident Bernhard Kempen. Der Wissenschaftsrat sieht das Ansehen deutscher Forschung bedroht. Die große Reputation der deutschen Wissenschaft „darf nicht durch die Bagatellisierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens beschädigt werden“, kritisierte der Vorsitzende, Professor Wolfgang Marquardt.
In der Koalition bahnt sich ein Streit über den geplanten Aufschub des Spardiktats von gut 8,3 Milliarden Euro für Guttenberg an. FDP-Chef Guido Westerwelle will dies nicht einfach hinnehmen. Der Vize-Kanzler machte nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa deutlich, dass der Bonus für Guttenberg nur „ein erster Vorschlag des Bundesfinanzministers, aber keine Kabinettsentscheidung“ sei.
Die Kanzlerin hat sich noch nicht abschließend positioniert. Es handle sich um einen „ersten Vorschlag des Bundesfinanzministers“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Wolfgang Schäuble (CDU) will dem angeschlagenen Guttenberg bis 2015 Zeit geben, um seinen Anteil am Sparpaket zu erbringen. Das Kabinett entscheidet voraussichtlich Mitte März über den Etatrahmen.