Seehofer will Betreuungsgeld mit Druck auf CDU durchsetzen
Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel will die Gegner des Betreuungsgeldes nach „Spiegel“-Informationen mit einem schnelleren Kita-Ausbau ködern. Für die Lösung des zähen Streits wolle die CDU-Chefin unter Umständen auch zusätzliches Geld zur Verfügung stellen, berichtet das Magazin.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) äußerte sich dazu zwar nicht im Detail, erklärte aber: „Ich betone nicht ohne Grund seit Wochen, dass das vor uns liegende Jahr zum Jahr des Kita-Ausbaus werden muss. Betreuungsgeld und Kita-Ausbau gehören zusammen.“ Entschiedener Widerstand gegen das Betreuungsgeld kommt vom Städte- und Gemeindebund, der einen strikten Verzicht auf neue staatliche Leistungen für die kommenden zwei Jahre verlangt.
Parallel zu der „Spiegel“-Veröffentlichung spitzte sich die unionsinterne Auseinandersetzung über das Betreuungsgeld zu. CSU-Chef Horst Seehofer sagte der „Bild am Sonntag“: „Ich werde an weiteren Koalitionsausschüssen nicht mehr teilnehmen, so lange die alten Beschlüsse nicht endlich umgesetzt sind. Ein Termin für das nächste Treffen der Spitzenrunde ist allerdings noch gar nicht angesetzt. Seehofer zeigte sich nicht nur beim Thema Betreuungsgeld verärgert. „Auch bei der Finanztransaktionssteuer muss die Regierung jetzt mal zu Potte kommen.“ Nach der NRW-Wahl müsse „in Berlin wieder regiert werden“.
In der Unionsfraktion wehrt sich vor allem die Gruppe der Frauen gegen das Betreuungsgeld und argumentiert laut „Spiegel“, die rund 1,2 Milliarden Euro ab 2014 wären besser investiert, wenn man sie in den Kita-Ausbau steckte. In der CDU gelte es als nicht vermittelbar, wenn zum 1. Januar das Betreuungsgeld käme und gleichzeitig der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz nicht erfüllt werde.
Weiter schreibt der „Spiegel“, im Berliner Familienministerium seien die Arbeiten an dem Gesetz für das Betreuungsgeld bis auf die strittigen Punkte abgeschlossen. Nach den neuesten Planungen solle es am 6. Juni ins Kabinett eingebracht und Ende Juni vom Bundestag verabschiedet werden. Merkel wolle damit ein Sommertheater vermeiden.
Die „Bild“ berichtete unterdessen von einer möglichen Verzögerung der Auszahlungen: Wegen des anhaltenden Streits solle das Betreuungsgeld statt zum 1. Januar nun erst von August 2013 an gezahlt werden. Als Grund wird die anstehende monatelange Beratung über den Gesetzentwurf genannt.
Am Freitag hatte eine Sprecherin der bayerischen Staatskanzlei dementiert, Seehofer sei wegen des seit Wochen andauernden Streits um die neue Familienleistung derzeit generell nicht mehr für Merkel zu sprechen. „Das ist schlicht unzutreffend“, sagte die Regierungssprecherin dazu. Wie die „Welt“ weiter berichtete, hatte Seehofer am Donnerstagabend vor der Bundesratssitzung am Freitag auch beim traditionellen „Kamingespräch“ der Unions-Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin gefehlt.
Die SPD kritisierte Seehofer für sein Verhalten scharf. „Es ist albern und kindisch, wenn Horst Seehofer in den politischen Hungerstreik geht, um das Betreuungsgeld durchzusetzen“, sagte SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann. Seehofers Verhalten offenbare die tiefe Zerrüttung in der Koalition.
Hintergrund des Betreuungsgeld-Streits ist die Verärgerung der CSU darüber, dass Politiker der CDU die geplante Leistung offen kritisieren. Nach dem Willen der CSU sollen Eltern, die ihr Kind nicht in eine Kinderkrippe geben, monatlich bis zu 150 Euro erhalten.
Die Städte und Gemeinden fordern einen strikten Verzicht auf neue staatliche Leistungen für die kommenden zwei Jahre. Trotz steigender Steuereinnahmen solle die Regierung auf das Betreuungsgeld, eine mögliche Erhöhung des Kindergeldes und die derzeit diskutierten Steuererleichterungen verzichten, fordern die Kommunen. „Ich würde vorschlagen, dass man als Erstes mal sagt: Es gibt ein Moratorium für immer neue staatliche Leistungen, das wäre ja ein erster Schritt“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg im Deutschlandfunk.
Das Moratorium sollte für die nächsten drei bis vier Wahltermine gelten und würde damit auch die nächste Bundestagswahl einschließen. Landsberg warnte auch vor einer drohenden Welle von Schadenersatzklagen, die wegen des Rechtsanspruchs auf einen Kinderbetreuungsplatz auf den Staat zurollen könne. Bis zum Stichtag 1. August 2013 fehlten noch immer etwa 200 000 Plätze. „Wir leben in einer Zeit, wo Elterninitiativen sich sehr schnell über die entsprechenden sozialen Netzwerke verständigen. Und dann ist es eben nicht eine Klage, sondern viele“, warnte Landsberg. Um die Lücke zu schließen, müssten Anreize geboten werden, um noch bis zu 30 000 Tagesmütter auszubilden.