Meinung Autobauer betrügen, aber wir brauchen sie

Meinung · Wie tief kann die deutsche Autoindustrie noch sinken? VW, Daimler und BMW – lange als Vorzeigeunternehmen einer Wohlstand schaffenden Branche gefeiert – haben illegale Absprachen getroffen, um eine bessere Abgasreinigung zu verhindern.

Die EU-Kommission verschärft ihre Kartellermittlungen gegen die deutschen Autokonzerne BMW, Daimler und VW.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Wie tief kann die deutsche Autoindustrie noch sinken? Wie viele Belege für Betrug müssen wir noch zur Kenntnis nehmen? VW, Daimler und BMW – lange als Vorzeigeunternehmen einer Wohlstand schaffenden Branche gefeiert – haben illegale Absprachen getroffen, um eine bessere Abgasreinigung zu verhindern. Mehr Profit auf Kosten der Umwelt. Wer das für eine unbewiesene Behauptung hält, wird bald eines Besseren belehrt. Zwar berichtet die EU-Kommission bislang nur von vorläufigen Ergebnissen ihrer Ermittlungen. Aber sowohl Daimler als auch Volkswagen haben sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe im vergangenen Jahr als Kronzeugen zur Verfügung gestellt. Wer das tut, bekennt sich quasi schuldig und hofft im Gegenzug auf Straferlass oder gar Straffreiheit. Ob das klappt, ist offen. Strafen in Milliardenhöhe sind immer noch möglich.

Es geht bei den illegalen Absprachen um SCR-Katalysatoren für Dieselmotoren. Das ist jene Technik, mit der sich die Stickoxide des Motors erheblich reduzieren lassen. Und es geht um Partikelfilter für Benzinmotoren, die die Feinstaub-Emissionen nachhaltig mindern. Die Konzerne haben den Wettbewerb bei diesen Systemen eingeschränkt und den Kunden damit die Möglichkeit verwehrt, umweltfreundlichere Autos zu kaufen. Es ist schlicht unglaublich. Die Konzerne haben erst vor wenigen Monaten wirklich begriffen, dass Mobilität nur dann eine Zukunft hat, wenn sie möglichst sauber stattfindet – bestenfalls schadstofffrei und ohne CO2-Ausstoß.

Ganz und gar nicht einig sind die Unternehmen, wie der Umbruch gelingen kann. VW setzt alles auf die E-Mobilität. Also keine Diesel- und Benzinautos, keine Hybridfahrzeuge, auch keine Brennstoffzelle. Damit unterscheiden sich die Wolfsburger von BMW und Daimler, die noch lange ein Nebeneinander aller Technologien wollen, indem sie zum Beispiel am Verbrennungsmotor festhalten, der mit synthetischen Treibstoffen betrieben wird.

Ein Kommentar von Rolf Eckers.

Foto: Sergej Lepke

Und nicht nur der Antrieb steht im Fokus. Autonomes Fahren, die Vernetzung des Fahrzeuges, Dienstleistungen rund um die Mobilität – die Autobauer konkurrieren bald mit Google, Apple & Co. Wenn ihnen diese Transformation misslingt, spielt die Wirtschaftsnation Deutschland nicht mehr vorne mit. Fast 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hängen irgendwie am Auto, wenn alles mitgezählt wird. Die reine Produktion macht noch zehn Prozent aus. Jeder siebte Beschäftigte in Deutschland hat mit Fahrzeugen zu tun. Auch wenn die Bedeutung individueller Mobilität abnimmt, spielen die Autobauer für den Wohlstand in diesem Land auch morgen eine zentrale Rolle. Hoffentlich – und ohne zu betrügen.