Koalitionen: Hessen-SPD folgt Ypsilanti nahezu geschlossen

Der Landesparteitag billigt Bündnis mit Grünen und Tolerierung durch Linkspartei.

Rotenburg. Als Andrea Ypsilanti zum ersten Mal von den hessischen SPD-Delegierten gefeiert wird, zeigt sich Brigitte Zypries auffällig beschäftigt. Sie kramt im Aktenkoffer, putzt sich die Nase, klatscht für Sekunden Beifall, dann greift sie zur Kaffeetasse, trinkt in aller Ruhe und sucht wieder etwas im Koffer. Man hat die Bundesjustizministerin schon begeisterter gesehen als an diesem Morgen im nordhessischen Rotenburg an der Fulda.

Zypries ist eine langjährige Weggefährtin von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Der wiederum betrachtet mit einer gewissen Sorge, welchen Kurs die hessische SPD einschlägt. Es ist durchaus bemerkenswert, dass kein Mitglied der SPD-Spitze nach Rotenburg gereist ist, um sich an der Seite von Landeschefin Ypsilanti zu zeigen.

Rotenburg ist für die hessische SPD ein symbolträchtiger Ort. Hier hatte sich Ypsilanti vor zwei Jahren gegen ihren parteiinternen Widersacher Jürgen Walter durchgesetzt - denkbar knapp nach einem Patt im ersten Wahlgang.

Walter, der ursprünglich für eine Große Koalition in Hessen plädiert hat, unterstützt diesmal seine Konkurrentin auf dem Weg zu einer von der Linkspartei tolerierten rot-grünen Koalition. "Lasst uns heute die Ampel auf grün stellen, damit das Land wieder rot wird", sagt er.

Tatsächlich erhält Ypsilanti auf dem Parteitag knapp 98 Prozent Zustimmung für ihren Kurs. Bei drei Enthaltungen sind es gerade einmal sieben Delegierte, die sich gegen Verhandlungen mit der Linkspartei aussprechen.

Einer von ihnen ist der 20-jährige Jan Seipel aus Darmstadt-Dieburg. Er sagt, die SPD mache sich abhängig von Linken-Chef Oskar Lafontaine, der im Hintergrund die Fäden ziehe. Im Übrigen habe sich Ypsilanti vor der Wahl eindeutig gegen eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgesprochen. "Wir haben ein Problem mit der Glaubwürdigkeit", warnt Seipel.

Doch eine überwältigende Mehrheit votiert für Ypsilantis Plan, die erste Kooperation der SPD mit der Linkspartei in einem westlichen Bundesland anzustreben. Die Landeschefin wirbt mit dem Argument, ein "Politikwechsel" sei nur mit einem Regierungswechsel möglich. In Anspielung auf die Finanzkrise und die Pleiten von US-Großbanken sagt sie: "Die Bevölkerung hat mittlerweile weniger Angst vor der Linkspartei als vor den Lehman Brothers oder den unfähigen Bankern."

Zwar sei das angestrebte Bündnis mit der Linkspartei eine "hessische Entscheidung" und kein Vorbild für den Bund, gleichwohl beansprucht Ypsilanti eine Vorreiterrolle für sich. "Wir haben gezeigt, wie die SPD als linke Volkspartei wieder erfolgreich sein kann", sagt Ypsilanti.

Sie sei überzeugt, die Regierungsübernahme mit Unterstützung der Linkspartei füge der Bundes-SPD keinen Schaden zu, sondern könne ihr im Gegenteil Auftrieb verschaffen. Die aktuelle Finanzkrise belege, dass eine neue Politik notwendig sei: "Die neoliberale Ideologie ist nicht gesellschaftsfähig."

Noch in der ersten Novemberhälfte könnte sich die SPD-Politikerin im Landtag zur Wahl stellen, um Ministerpräsident Roland Koch (CDU) abzulösen.

Da sich die Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger einer Wahl mit Hilfe der Linken widersetzt, kann sich Ypsilanti in der geheimen Abstimmung keinen weiteren Abweichler leisten. Ansonsten droht ihr eine ähnliche Blamage wie einst Heide Simonis (SPD) in Schleswig-Holstein.