Koch macht Wahlkampf mit Tibet

Menschenrechte: Streit um die China-Politik wird schärfer.

Berlin. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat den neuen Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) scharf angegriffen. Steinmeier stelle wirtschaftliche über moralische Interessen, sagte Koch mit Blick auf den von der SPD kritisierten Empfang des Dalai Lama im Kanzleramt: "Damit schadet der Außenminister unserem Land." Beobachter bringen Kochs Äußerungen in Zusammenhang mit dem hessischen Landtagswahlkampf.

Zu allem Überfluss meldet sich aus Hessen auch noch der im Wahlkampf zum humanitären Eiferer mutierte Roland Koch zu Wort, der sich öffentlichkeitswirksam mit seiner Freundschaft zum Oberhaupt der Tibeter brüstet. Das Thema Menschenrechte ist zur Munition für den politischen Nahkampf geworden, in dem es um alles Mögliche geht, nur nicht um die ehrliche Auseinandersetzung mit der Sache.

Während Koch sich als Moral-Instanz in Szene setzt und zugleich eifersüchtig die guten Umfragewerte Steinmeiers verfolgt, blickt jener mit Argwohn auf die Kanzlerin, die sich als bessere Außenministerin profiliert. Und dann ist Steinmeier ja auch noch Vizekanzler und SPD-Parteipolitiker, der sich im Vorgriff auf den Bundestagswahlkampf gegen die Union positionieren möchte. Nur sollte er sich genau überlegen, auf welchem Gebiet er die Kanzlerin attackiert, denn sie hat die Außenpolitik mit Sorgfalt justiert und im Gegensatz zu ihrem Vorgänger den richtigen Ton gefunden.

Bei Menschenrechtsfragen beweist Merkel Prinzipientreue; in Moskau und Peking hat sie gezeigt, dass sie den Umgang mit Grundrechten von ökonomischen Interessen zu trennen vermag. Mit ihrer Konsequenz erbost sie zwar die wirtschaftsversessenen, aber menschenrechtsvergessenen Chinesen, weil jemand aus der einst so devoten Bundesrepublik es wagt, ihnen zu widersprechen. Doch wenn die SPD nun so tut, als habe Deutschland sein Verhältnis zum Reich der Mitte ruiniert, verkennt sie den rituellen Charakter des Gezeters. Vielleicht verkauft der Exportweltmeister ein paar Maschinenteile weniger an China. Doch in der Außenhandelsbilanz wird sich das kaum widerspiegeln, zumal Deutschland gerade damit begonnen hat, seine Kontakte zur neuen Wirtschaftsmacht Indien auszubauen.

Langfristig wird die Chinesen Stärke ohnehin mehr beeindrucken als hündische Ergebenheit, sofern Union und SPD diese Stärke nicht im parteipolitischen Gezänk kleinreden.