Merkels Mitte droht die Mittelmäßigkeit

Analyse: Am Montag verordnet sich die CDU ein neues Grundsatzprogramm, das alle bedienen soll.

Hannover. Das Motto des CDU-Parteitags, der am kommenden Montag in Hannover beginnt, lautet schlicht: "Die Mitte". Das klingt wenig spektakulär, ungefährlich, vertraut. Doch wenn das, was links und rechts von der Mitte stattfindet, insgesamt nach links rutscht - ist dann diese "neue" Mitte im Vergleich zur "alten" nicht weiter links zu suchen? Lässt sich so erklären, dass sich die CDU zwar als "Volkspartei der Mitte" begreift, obwohl ihr Beobachter von innen und außen eine umfassende Sozialdemokratisierung bescheinigen?

Die CDU wartet in Hannover nach anderthalb Jahren innerparteilicher Diskussion mit dem dritten Grundsatzprogramm ihrer Geschichte auf. Dabei handelt es sich um eine Standortbestimmung - wobei "Standort" gar nicht das richtige Wort ist, weil eine Partei, die in Wahlen mit der CSU wieder 40 Prozent plus X erreichen will, nicht starr auf einen Punkt des politischen Spektrums fixiert sein darf. Vielmehr geht es darum, linke und rechte Strömungen gleichermaßen zu bedienen, aus denen sich in der Summe so etwas wie eine "Mitte" ergibt. Genau diesen schwierigen Spagat gilt es nun zu bestehen.

CDU-Chefin Angela Merkel legt Wert darauf, ihre Partei weiter zu modernisieren. Nirgendwo wird das deutlicher als auf dem Feld der Familienpolitik. Menschlich soll es in der Gesellschaft zugehen, gerecht und solidarisch. Merkel will nicht den Fehler machen, die kalten Thesen des Leipziger Parteitags zu wiederholen. Das könnte die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der bürgerlichen Parteien gefährden.

Gleichzeitig wird es darum gehen, sich - zumindest verbal - scharf von der SPD abzugrenzen, um die Konservativen in den eigenen Reihen zu beruhigen. Dem moderaten Grundsatzprogramm, das nun 15 bis 20 Jahre halten soll, wurde darum ein Leitantrag des Vorstands beigefügt, in dem der SPD ziemlich unfreundlich "rote Linien" aufgezeigt werden. Mindestlöhne auf breiter Front, die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems oder das "Aufweichen" der Rente mit 67 - all dies sei mit der CDU nicht zu machen, heißt es in dem Papier.

Kritiker wenden ein, damit werde zwar klar, was die Merkel-Partei alles nicht will. Nur: Was will sie denn? Ein einfacheres Steuersystem mit niedrigeren Sätzen? Eine Gesundheitsreform, die den Namen wirklich verdient? All das wird nicht deutlich, es würde zu sehr nach Leipzig klingen. Dem Beobachter dämmert: Von der Mitte bis zur Mittelmäßigkeit ist es nicht allzu weit.

Selbstverständnis Im Gegensatz zur SPD, die sich als "linke Volkspartei" bezeichnet, definiert sich die CDU als "Volkspartei der Mitte".

Inhalte für Progressive Das Ehegattensplittung soll zum Familiensplitting weiterentwickelt werden. Es wird zudem das Ziel einer "echten" Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf propagiert. Außerdem spricht das Programm erstmals vom "Integrationsland Deutschland".

Inhalte für Konservative Das Programm enthält einen Gottesbezug und spricht von der umstrittenen deutschen "Leitkultur". Die Ehe bleibt das "Leitbild" für die Gemeinschaft von Frau und Mann.