SPD-Chef Kurt Beck: Konjunktur nicht abwürgen
SPD-Chef Kurt Beck warnt davor, den Bürgern mit immer neuen Reformen Angst zu machen. Die Folge sei, dass sie Geld auf die hohe Kante legten statt es auszugeben.
Düsseldorf. Wir vermuten, dass für Sie eines der schwierigsten Jahre in Ihrer politischen Karriere ausklingt. Wie geht es Ihnen?
Beck: Es war ein sehr herausforderndes Jahr, nicht immer angenehm, aber es gab nichts, was mich umgeworfen hätte. Und es war auch ein gutes Jahr. Wir hatten einen Parteitag, der eine Wende für die SPD gebracht hat. Die Partei hat in sich hineingehorcht und schaut wieder kämpferisch nach vorn.
Den Ausdruck "immer mal langsam mit de Leut" haben Sie verbunden mit der Ankündigung, dass vorerst ein Ende der Zumutungen erreicht sein müsse.
Beck: Wenn man besondere Härten erkennt, muss man handeln. Beim ALG I habe ich ein tiefes Ungerechtigkeitsgefühl bei den Menschen gespürt. Ähnlich ist es beim Übergang in die Rente. Wir dürfen nicht übersehen, dass es körperlich derartig anstrengende Berufe gibt, dass ein Teil der Menschen nicht bis 67 durchhalten kann. Deshalb prüfen wir Teilrente, Teilarbeit und andere flexible Übergänge. Wir müssen auch über eine Zusatzkasse reden, damit Menschen, die wirklich körperlich nicht mehr können, auch früher in die Rente gehen können, und zwar mit minimalen oder gar keinen Abschlägen.
Also tatsächlich: ein Ende der Zumutungen?
Beck: Reformen bedeuten für mich nicht, dass man den Leuten immer etwas wegnehmen muss. Wer andauernd mit einschneidenden Reformen droht, sorgt dafür, dass Menschen aus Angst sparen. So würgt man die Binnenkonjunktur ab. Es gibt ja nicht nur rosige Aussichten. Automobilindustrie und IG Metall sagen mir, dass bei Dienstwagen, Luxusautos und dem Export alles gut läuft. Aber zum Beispiel der Bestand der privaten Autos ist so alt wie noch nie in der Republik. Wenn die Menschen teilhaben am Aufschwung, dann nimmt auch die Kaufkraft zu.
Sie haben aber den Mindestlohn bisher auch nicht als Reform bezeichnet.
Beck: Mindestlöhne sind eine Reform, eine große sogar. Wir werden sehen, wie weit die Union beim Mindestlohn noch mitgeht. Das wird ein ganz zentrales Thema bleiben, denn wir wollen den flächendeckenden Mindestlohn. In 21 von 27 EU-Staaten gibt es bereits gesetzliche Mindestlöhne, ohne dass die Wirtschaft Schaden leidet. Um das Fleischerei- und Bewachungsgewerbe werden wir uns als nächstes kümmern müssen.
Und der Höchstlohn? Eine Begrenzung der Managergehälter würden viele Menschen vermutlich für eine sympathische Reform halten.
Beck: Wir können hohe Löhne gesetzlich nicht beschränken. Aber ich appelliere an Manager, es auch nicht zu übertreiben. Hier stimme ich dem Bundespräsidenten ausdrücklich zu. Mehr Transparenz würde ich mir schon wünschen, also dass die Gehälter beispielsweise einzeln ausgewiesen werden. Wenn ein Manager meint, er sei soundsoviel wert, dann soll er auch dazu stehen. Das könnte man notfalls gesetzlich regeln.
Gleichzeitig wachsen immer mehr Kinder in Armut auf. Warum unternimmt die Politik so wenig dagegen?
Beck: Wir wollen mehr gegen Kinderarmut tun. Einige Vorschläge hat die Union abgelehnt, beispielsweise bei der Einschulung einen Sonderbetrag auszuzahlen oder Essenskosten für Kinder zu übernehmen. Die Betreuungsprämie, über die wir mit der CSU streiten, wirkt gerade bei vernachlässigten Kindern kontraproduktiv. In Thüringen gibt es die Prämie, und viele Eltern melden ihre Kinder aus den Tagesstätten ab. Wie sollen wir aber Verwahrlosung erkennen, wenn wir die Kinder nicht sehen?
Momentan gehen SPD und Linkspartei relativ friedlich miteinander um. Ist das ein frühes Stadium der Annäherung?
Partei Kurt Beck ist seit Mai 2006 Vorsitzender der SPD. Er trat 1972 in die Partei ein, war Mitglied im Mainzer Landtag, Vorsitzender der dortigen SPD-Fraktion und wurde 1994 zum Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz gewählt.
Persönlich Beck ist gelernter Elektro-Mechaniker. Er ist verheiratet und hat ein Kind.