Ab Mittwoch ist ein Fehler ein Fehler

Rechtschreibreform: Die „Reform der Reform“ wird am 1. August an den Schulen verbindlich. Das Ende im Streit um die deutsche Sprache?

<strong>Düsseldorf. Alle Schlachten sind geschlagen, die Verletzten kühlen ihre Wunden, die Kämpfer sind müde, und auf dem Feld liegt die deutsche Schriftsprache. In etwas entstellter Form zwar, aber immerhin in einem Regelwerk, das - gelegentlich nur murrend zwar - weithin akzeptiert wird. Die lange Jahre umstrittene Rechtschreibreform tritt am 1. August, am Mittwoch also, an den Schulen endgültig und verbindlich in Kraft. Fehler werden künftig als Fehler gewertet, die Übergangsfrist ist zu Ende. Mehr als 20 Jahre ist es nun her, dass sich die Politik Mitte der 80er Jahre der deutschen Sprache bemächtigte und es schaffte, ein in Jahrhunderten gewachsenes Regelwerk mutwillig und ohne erkennbare Notwendigkeit derart ins Chaos zu stürzen, dass fast jedes Jahr ein neuer Duden notwendig wurde. Der allerdings im Jahr darauf schon wieder Makulatur schien. Zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es keine einheitliche deutsche Schriftsprache mehr, Zeitungen, Schriftsteller und Verlage blieben vielfach demonstrativ bei der bewährten Rechtschreibung.

Der Pudding wird kalt gestellt, Politiker aber werden kaltgestellt

Erst der 2004 gebildete "Rat für deutsche Rechtschreibung" - dem unter Leitung des Reformkritikers Hans Zehetmair (CSU) auch Gegner der ursprünglichen Kommission angehörten - überarbeitete die verkorkste Reform und kehrte in den umstrittenen Fällen der Groß- und Kleinschreibung, der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Zeichensetzung wieder weitgehend zu alten Formen zurück. Diese "Reform der Reform" wird jetzt also verbindlich. Wir können den Pudding weiter im Kühlschrank "kalt stellen", während sich die Politiker wieder gegenseitig "kaltstellen" müssen. Es heißt wieder "eislaufen" und nicht - wie zwischendrin - "Eis laufen".

Die Groß- und Kleinschreibung verdeutlicht in vielen Fällen ebenso wie die Getrennt- und Zusammenschreibung einen Bedeutungsunterschied und ist deshalb nicht frei wählbar: "angst und bange sein" wird wie früher kleingeschrieben, jemandem "Angst und Bange machen" jedoch groß.

Daneben gibt es eine Vielzahl von "Varianten", Fälle also, bei denen die alte Form gleichberechtigt neben der neuen steht: "Gewinn bringend" oder auch "gewinnbringend".

Ob dieses Nebeneinander auf Dauer Bestand hat, ist noch offen. "Wir gehen davon aus, dass die Sprache und die Schreibgewohnheiten eine Antwort darauf geben, welche Schreibweise sich durchsetzt", glaubt Hans Zehetmair. Und setzt damit wieder auf die Praxis, die in Deutschland vor der Reform gang und gäbe war: eine vorsichtige Anpassung der Schriftsprache an veränderte Gewohnheiten. Auf politische Beschlüsse - wie in jüngster Vergangenheit - soll künftig aber verzichtet werden.

Besonderes Augenmerk will will der Rat deshalb jetzt auf solch gewöhnungsbedürftige Formen wie "behände" (für "behende"), "schnäuzen" (für "schneuzen") oder auch "Gämse" (für "Gemse") richten. Große Umwälzungen, verspricht Zehetmair, wird es aber nicht mehr geben: "Nach den turbulenten ersten zwei Jahren gehen wir jetzt in ruhiges Fahrwasser."

Man sieht, es wird nicht leicht - weder für die Schüler noch für den Lehrer. Doch Letzterer darf bei der Korrektur immerhin im Duden oder Wahrig nachschlagen - aber deshalb ist er ja auch Lehrer.