Aufgelöster Landtag: Am Ende ging es dann ganz schnell

Über Nacht stellten die Parteien im Landtag die Weichen für eine Neuwahl. Den Anstoß dafür gab ungewollt die FDP.

Düsseldorf. Die Atmosphäre im Düsseldorfer Landtag ist zum Zerreißen gespannt, vor dem Landtag parken die Übertragungswagen nationaler und internationaler Sender, in den Fluren des Gebäudes summt es wie in einem Bienenschwarm. Alle wissen: Es liegt Großes in der Luft, die erste Minderheitsregierung im wichtigsten Bundesland steht vor dem Aus.

Nur einer scheint davon unbeirrt: Der CDU-Abgeordnete Theo Kruse redet zum Einzelplan 03 und fordert 17 Millionen Euro mehr für Freiwillige Feuerwehren des Landes. Ihm hört niemand zu. Denn gleich ist dieser Etat Geschichte. Und der Landtag in dieser Zusammensetzung. Und vor allem diese Landesregierung.

Eine Stunde später ist es soweit. Nachdem Kruse und seine Kollegen aus den anderen Fraktionen und auch der zuständige Fachminister Ralf Jäger (SPD) ihre Pflichtreden gehalten haben, ist klar: Dieser Einzeletat von SPD und Grünen hat im Parlament keine Mehrheit, CDU, FDP und Linken werden ihn mit ihren 91 Stimmen ablehnen.

Dann meldet sich Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zu Wort. Es wird plötzlich ganz still im Landtag, es ist tatsächlich ein historischer Moment. „Wir müssen feststellen, dass wir keine Mehrheit für den Haushalt haben. Wir haben immer gesagt, dass das aber die Voraussetzung für eine handlungsfähige Regierung ist. Nun werde ich den Fraktionen von SPD und Grünen vorschlagen, die Auflösung des Landtags zu beantragen mit dem Ziel, Neuwahlen herbeizuführen“, sagt Kraft.

Die Grünen haben schon seit Monaten auf Neuwahlen gedrängt, nun ging es plötzlich ganz schnell. „Wir haben uns heute Morgen kurz und intensiv mit der SPD beraten. Es war klar: Nun müssen wir handeln“, sagt Vize-Regierungschefin Sylvia Löhrmann (Grüne) unserer Zeitung. Man habe sich zuletzt einem „Erpressungskarussell von FDP und Linken“ ausgesetzt gesehen.

Was seit 20 Monaten über der Minderheitsregierung schwebte, ist nun eingetreten — das Scheitern in einer wichtigen Sache an einer fehlenden Mehrheit. Endscheidend war letztlich die Haltung der FDP. Eine Expertise des Landtagsjuristen Hans-Josef Thesling verbaute ihre Strategie: Ablehnung in der zweiten Lesung bedeutet das Aus für den gesamten Etat. Die FDP wird davon überrascht, versucht noch in der Nacht zu Dienstag bei SPD und Grünen einen Aufschub zu erreichen — vergebens. Eine Minute vor Beginn der Sitzung muss Papke sagen: „Wir lehnen ab.“ Als er im Parlament das Wort ergreift, ruft einer „Abschiedsrede“.

CDU-Landeschef Norbert Röttgen eilt aus Berlin herbei, der Bundesumweltminister versäumt dafür eine Kabinettssitzung. Er sucht die Offensive: „Ich stehe als Spitzenkandidat bereit. Wir werden Rot-Grün ablösen.“ Ob er im Falle einer Niederlage auch als Oppositionsführer im Landtag bereit stünde und dafür auf den Ministerjob verzichten würde, ließ er offen. Wenig später trifft auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr ein, der der NRW-FDP vorsteht. „Ich bin stolz. Wir haben zu unseren Prinzipien gestanden“, sagt er.