Analyse Das vertrackte Problem mit den Bürgen für Flüchtlinge
Wie weit die Verpflichtungen reichen, war vielen nicht klar. Bei der Lösungssuche für diese Fälle sind sich Bund und Länder uneins.
Düsseldorf. Der Bund sieht keinen Anlass, den Ländern in der Frage der privaten Bürgschaften für syrische Flüchtlinge beizuspringen. „Die Verantwortung liegt in der Länderberatungspraxis begründet“, sagte Ulrike Hornung, Referatsleiterin im Bundesinnenministerium, am Mittwochvormittag bei einer Anhörung vor dem Integrationsausschuss des Landtages. Die Länder müssten daher auch eine Lösung für die entstandenen Probleme finden.
Zumal es diese Probleme gar nicht in allen Bundesländern gibt. Laut Hornung hatten im Zuge des Syrienkrieges neben dem Bund auch alle Länder mit Ausnahme von Bayern Aufnahmeprogramme für Angehörige hier lebender Syrer aufgelegt, jeweils verbunden mit privaten Bürgschaften für die finanziellen Belastungen. Aber nur in vier Bundesländern kam es dabei offenbar zu falschen Beratungen — darunter auch NRW.
Denn hier herrschte anders als auf Bundesebene die Rechtsauffassung, die Verpflichtung der Bürgen zur Kostenübernahme ende mit einem neuen Aufenthaltstitel, beispielsweise als anerkannter Asylbewerber. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte aber im Januar 2017: Durch den neuen Titel ändere sich der Aufenthaltszweck nicht, nämlich der Schutz vor Krieg und Verfolgung. Folglich seien die Bürgen weiter verantwortlich, bei Verpflichtungserklärungen vor August 2016 zumindest für drei Jahre. Die Bürgen hatten aber zum Teil auf anderslautende Auskünfte der Ausländerbehörden und des Landesinnenministeriums vertraut.
Die NRW-Jobcenter behelfen sich bei ihren Rückforderungen von Hartz-IV-Zahlungen nun mit Einzelfallprüfungen. Können Bürgen glaubhaft darstellen, dass sie falsch beraten worden waren, wird von den Forderungen abgesehen. „Aber bei der Einzelfallprüfung hängt sehr viel von der Eloquenz des Bürgen ab“, kritisiert Thomas Heinrich von der westfälischen Landeskirche.
Völlig unklar ist auch noch, wie viele Betroffene es in NRW überhaupt gibt. Die Grünen sprechen in ihrem Antrag zur Einrichtung eines Hilfsfonds von Verpflichtungserklärungen für 2593 Personen allein in NRW. Bei der Anhörung wurde diese Zahl nicht bestätigt. Bundesarbeits- und Bundesinnenministerium arbeiten gerade an einer bundesweiten Erhebung, wie viele Menschen betroffen sind und um welche Nachforderungssummen es überhaupt geht.
Bürgschaften wurden keinesfalls nur von syrischen Angehörigen in Deutschland übernommen. Weil diese oft finanziell nicht in der Lage waren, sprangen Flüchtlingshelfer ein oder auch Kirchengemeinden. „Gerade ältere Menschen über 70 mit Kriegs- und Fluchterfahrungen haben zum Teil mehrfach Verpflichtungserklärungen unterschrieben“, sagt der frühere Gelsenkirchener Superintendent Rüdiger Höcker. Einen Fall, den er schilderte, betrifft einen über 80-Jährigen, die Rückforderungssumme sei fünfstellig. „Das geht jetzt bis in die Erbschaft.“
Die Kirche sieht den von den Grünen geforderten Hilfsfonds als Übergangslösung und hoffe ansonsten auf ein Einlenken beim Bundesarbeitsministerium, so Heinrich. Letztlich sei ein Klarstellungsgesetz erforderlich. Auch NRW-Integrationsminister Joachim Stamp setzt auf eine bundesweite Lösung. Aber ob die wirklich kommt, ist weiter ungewiss. Solange bleibt den Bürgen nur, zu bangen, Einspruch einzulegen — und zu klagen.