Gekippte Spar-Besoldung: Richterbund fordert Rücktritt von Hannelore Kraft

Schlechte Nachrichten für den Finanzminister, gute Nachricht für die Beamtenschar: Auch den besser besoldeten Staatsdienern dürfen keine zu großen Opfer abverlangt werden.

Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs ist eine Niederlage für Hannelore Kraft.

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Münster (dpa) - Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat den höher besoldeten Beamten zu Unrecht finanzielle Opfer abverlangt. Der Verfassungsgerichtshof in Münster verwarf am Dienstag das Besoldungsgesetz für die Jahre 2013 und 2014. Es verstoße gegen die Verfassung des Landes, urteilten die obersten NRW-Richter. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) kündigte bereits neue Berechnungen und einen Nachtragshaushalt an. Der Richterbund forderte den Rücktritt von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

Das Land habe bei der Gesetzgebung zwar einen großen Spielraum, betonte Gerichtspräsidentin Ricarda Brandts in der Urteilsbegründung. Das Gesetz verstoße aber „evident“ gegen die in der Landesverfassung und im Grundgesetz verankerten Grundsätze. Der Gesetzgeber habe die Anhebung der Grundgehälter der unteren Besoldungsgruppen für sachgerecht gehalten. Dann hätten die etwas darüber liegenden Gruppen A 11 und A 12 (Grundgehalt 2732 bzw. 3084 Euro) aber nicht auf ein Plus von 2 Prozent beschränkt werden dürfen. Völligen Nullrunden, die den noch höheren Gruppen zugemutet wurden, erteilten die sieben Richter ebenfalls eine Absage.

Auch sei das Abstandsgebot - also ein spürbarer Unterschied - zwischen den Besoldungsgruppen verletzt worden. „Die Abstände sind durch das Gesetz signifikant verringert worden. Allerdings ohne, dass sich die Aufgabe der Beamten in den betroffenen Besoldungsgruppen geändert haben“, kritisierte Präsidentin Brandts.

Das Gesetz war von den Regierungsfraktionen SPD und Grüne im Landtag durchgesetzt worden. Dagegen geklagt hatten 92 Landtagsabgeordnete der Oppositionsparteien CDU, FDP und Piraten.

Nach Angaben des Verfassungsgerichtshofs bedeutet die Entscheidung allerdings keine rückwirkende und automatische Erhöhung der Beamtengehälter. Der Gesetzgeber muss jetzt erneut über die Anpassung der Bezüge entscheiden. Der Tarifvertrag für die nicht beamteten Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes müsse „nicht 1:1 übernommen werden“, betonte Brandts. Nullrunden, die ab der Besoldungsgruppe A 13 (Grundgehalt 3549 Euro) vorgesehen waren, dürfe es aber nicht geben. Begründung: Der Gesetzgeber sei verpflichtet, die Beamten- und Richterbezüge an eine positive Entwicklung der Wirtschafts- und Finanz-Verhältnisse anzupassen.

Nach der Niederlage will Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) bis Jahresende einen Gesetzentwurf vorlegen. Dazu werde er nach der Sommerpause auch mit den Betroffenen verhandeln, kündigte der SPD-Politiker in Münster an. Die Vorgaben des Gerichts werde man jetzt genau prüfen. Die unmittelbaren finanziellen Folgen des Urteils für den Landeshaushalt könne er noch nicht genau erkennen, sagte Walter-Borjans. Er gehe aber davon aus, dass ein Nachtragshaushalt fällig werde.

CDU-Landes- und Fraktions-Chef Armin Laschet sagte, das Vorgehen der Landesregierung verursache Millionenschäden. Die CDU und die anderen Oppositionsfraktionen hatten die erfolgreiche Klage gegen das Gesetz eingebracht. FDP-Chef und Kläger Christian Lindner kritisierte die rot-grüne Landesregierung scharf: „Hannelore Kraft und Norbert Walter-Borjans sind als Verfassungsbrecher Wiederholungstäter“, sagte er. „Die Landesregierung hat versucht, ihren mangelnden Sparwillen einseitig bei Lehrern und Polizeibeamten abzuladen.“

Der Landtagsabgeordnete Dietmar Schulz von der Piratenfraktion, der ebenfalls geklagt hatte, zeigte sich zufrieden. Das Gericht habe die Bedenken der Kläger bestätigt. Der Beamten-Bund DBB lobte das Urteil. „Das ist ein guter Tag für die Beamten in NRW“, sagte der Landesvorsitzende Roland Staude in Münster. „Das ist zudem eine schallende Ohrfeige für die Landesregierung.“

Der Vorsitzende des Bundes der Richter und Staatsanwälte in NRW, Reiner Lindemann, forderte sogar den Rücktritt der Ministerpräsidentin. Zum vierten Mal sei ein rot-grünes Gesetz vor dem Landesverfassungsgericht gescheitert. 20 der 21 Experten hätten bei der Sachverständigenanhörung im Landtag vor einem Jahr verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Dennoch habe Kraft empfohlen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.