Kein Notrufsystem in Siegburg - Leiter: Kein "schlimmes Klima"
Die Zelle der Haftanstalt Siegburg, in der vor einem Jahr ein Häftling von drei Mitgefangenen zu Tode gequält wurde, hatte kein Notrufsystem. Das kam nun im Untersuchungsausschuss des Landtags zum Siegburger Foltermord zu Tage.
Düsseldorf. Die Zelle der Haftanstalt Siegburg, in der vor einem Jahr ein Häftling von drei Mitgefangenen zu Tode gequält wurde, hatte kein Notrufsystem. In Notfällen hätten Häftlinge nur durch Schreie oder Tritte gegen die Zellentür auf sich aufmerksam machen können, sagte Staatsanwalt Robin Fassbender am Montag im Untersuchungsausschuss des Landtags zum Siegburger Foltermord. Er sei bei Beginn der Ermittlungen davon ausgegangen, dass die Zellen mit einem Notrufsystem ausgerüstet seien, "aber das gab es nicht", sagte Fassbender. Der Staatsanwalt hatte die Ermittlungen gegen die drei vom Landgericht Bonn zu langjährigen Haftstrafen verurteilten Täter geleitet. Die Gegensprechanlagen, über die Gefangene mit den Vollzugsbediensteten Kontakt aufnehmen können, sind nach Darstellung von Fassbender für Notrufe wenig geeinigt. Die Anlage werde von den Häftlingen "bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gedrückt". Die Vollzugbediensteten könnten deshalb Notrufe nicht erkennen. Dem Opfer des Siegburger Foltermordes war es während seines stundenlangen Martyriums zwar gelungen, den Knopf für die Gegensprechanlage zu drücken. Seine Peiniger hatte einen nachfragenden Vollzugsbediensteten aber mit den Worten wieder weggeschickt, es habe sich um ein Versehen gehandelt. Das Justizministerium hat inzwischen angeordnet, Meldungen über die Gegensprechanlage aus Zellen mit mehreren Gefangenen grundsätzlich zunächst als Notrufe einzustufen. Der kommissarische Leiter der Haftanstalt Siegburg, Michael Thewalt, sagte vor dem Ausschuss, der Umgang der Bediensteten mit den Gefangenen sei "angemessen" gewesen. Es habe auch im Landesvollzugsamt keine Hinweise gegeben, dass in Siegburg "ein schlimmes Vollzugsklima" geherrscht habe. Der Anstaltsleiter zum Zeitpunkt des Mordes, Wolfgang Neufeld, sei wegen seines Auftretens zwar umstritten gewesen. Das Landesjustizvollzugsamt habe aber keine Indikatoren gehabt, "ihn in Siegburg herauszunehmen". Neufeld habe "durchaus soziale Kompetenzen". Die aus Siegburg gemeldeten besonderen Vorkommnisse seien im Vergleich zu den anderen Jugendhaftanstalten weder über- noch unterdurchschnittlich gewesen. Thewalt hatte nach dem Mord die vorübergehende Leitung der Haftanstalt übernommen. Zuvor war er Abteilungsleiter im Vollzugsamt. Die Stimmung in der Haftanstalt nach dem Mord beschrieb es als "bedrückt und niedergeschlagen". "Ich habe eine Anstalt im Ausnahmezustand erlebt", sagte er. Auf Antrag von CDU und FDP beschloss der Ausschuss, Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU) um Prüfung ihrer Vorwürfe gegen die SPD-Abgeordneten Thomas Stotko und Ralf Jäger zu bitten. Die beiden SPD-Abgeordneten haben nach Ansicht der Regierungsfraktionen durch eine vorweggenommene Beweiswürdigung gegen das Gesetz über Untersuchungsausschüsse verstoßen. Stotko und Jäger haben die Vorwürfe zurückgewiesen.