Klein-Britannien am Niederrhein

Enklave: Hinter den Sicherheitszäunen und beschrankten Kontrollpunkten am Rande Mönchengladbachs verbirgt sich eine britische Kleinstadt auf deutschem Boden.

Mönchengladbach. Durch das Areal ziehen sich 36 Kilometer Straßen und Wege - allesamt mit englischen Bezeichnungen. Es gibt drei Kirchen, eigene Schulen, ein Kino, ein Theater, ein Schwimmbad, ein Elektrizitätswerk, einen Supermarkt, Postamt, Polizeistation, Feuerwehrwache und eine Ladenstraße mit Sparkasse, Juwelier, Florist, Kosmetiksalon und Autohändler im grauen Flachbau aus den 1950er Jahren, also aus den ersten Tagen des Hauptquartiers.

Kronleuchter und Satelliten-Schüsseln, Glühbirnen und Rasierapparate gibt es bei "Radio und TV Meyer" an Trenchard Road 3-5. Die Betreiberin macht das Auf und Ab der Truppeneinsätze seit Jahren mit und kann es in ihrer Kasse spüren. Viele Soldaten im Einsatz, das heißt wenig Kunden im Geschäft - Maria Meyer erlebt das seit 45 Jahren und zählt auf: "Suezkanal, Kuwait, Afghanistan, Irak." Das ist nichts gegen das, was die 69-Jährige auf sich zukommen sieht, wenn die Briten das Schnelle Eingreifkorps abziehen. "Aber was soll ich tun. Ich muss mich damit abfinden, ein paar Jahre sind es ja noch", sagt die Wegbergerin.

Das ist auch ein kleiner Trost für die Familie Saiti. Sie hat erst vor drei Monaten "Joe’s Pizza Italia" übernommen. Die Eltern arbeiten in der Küche, zwei Töchter und zwei Söhne kellnern, der 18-jährige Serhan steht am Ofen. Über die von ihm gebackenen Pizzas hinweg diskutieren vier Briten gerade das allgegenwärtige Thema: Wer will gehen, wer will bleiben? Für Serhan Saiti ist das "alles sehr schade". Aber wenn die einen Kunden weg seien, kämen eben neue. "Dann ziehen Deutsche ein", sagt der Pizzabäcker und weist auf einige Wohnhäuser gegenüber an der Marlborough Road.

Ganz so leicht wird das nach Ansicht von Experten nicht sein. Rund 1400 der 2000 Gebäude auf dem Gelände sind Dienstwohnungen und Wohnhäuser. Bis auf sieben Wohnblocks für unverheiratete Soldaten aus dem Jahr 2005, in die das britische Verteidigungsministerium rund 10,5Millionen Euro investierte, und einige wenige weitere Ausnahmen wurden alle Gebäude zwischen 1952 und 1954 gebaut. Obwohl einige Wohnhäuser im Laufe der vergangenen Jahre modernisiert und umgebaut wurden, bezweifelt die Stadt Mönchengladbach, "ob die 50er-Jahre-Bauten heutigen Ansprüchen an Wohnraum genügen". Fraglich sei auch, ob die Immobilien des JHQ in Randlage und mit auf militärische Zwecke ausgerichteter Funktionalität "kurz- bis mittelfristig nutzbar" seien.

Mönchengladbach steht vor einem enormen städtebaulichen Problem, für das der Oberbürgermeister Norbert Bude schon jetzt die Unterstützung von Bund und Land einfordert. "Alleine können wir das nicht stemmen."