Koalitionsstreit: Merkel stärkt Koch den Rücken

Die Bundeskanzlerin befürwortet schärfere Gesetze, um die Jugendkriminalität zu bekämpfen.

Berlin. Der Streit zwischen Union und SPD über die Jugendgewalt ist in den vergangenen Tagen so bedrohlich eskaliert, dass man vielleicht allmählich über verbale Erwachsenengewalt diskutieren müsste. Derart unvorbildlich war der Sprachgebrauch einiger Spitzenpolitiker, dass Angela Merkel sich genötigt sah, gestern die ruhigen, sachlichen und besonnenen Anteile der Großen Koalition zum Vorschein zu bringen. Also sich selbst.

Als CDU-Vorsitzende stellt sich Merkel hinter Roland Koch, dessen Wahlkampf die Koalitionäre auseinander treibt. Seit 2003 habe die Union deutlich gemacht, dass beim Jugendstrafrecht mehr passieren müsse. "Wir haben zu viel Kriminalität in Deutschland, zu viel Kriminalität unter jungen Leuten." Die Hälfte der Straftaten werde von ausländischen Jugendlichen begangen.

"Es darf in Wahlkämpfen keine Tabuthemen geben." Weil Jugendgewalt die Menschen umtreibe, habe Koch darüber gesprochen und werde von der gesamten CDU unterstützt, sagt Merkel. Am Tag zuvor hat sie den hessischen Ministerpräsidenten noch über seine Rechte aufklären müssen, dahingehend, dass die CDU zwar schärfere Gesetze befürworte, nicht aber Gefängnisstrafen für Kinder.

Die Fragen der Journalisten beantwortet die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende in changierenden Funktionen, immer aber darauf bedacht, die explosive Stimmung in der Großen Koalition zu deeskalieren. Auch über Videoüberwachung sei früher viel debattiert worden, und heute werde sie als selbstverständlich betrachtet. Ähnlich könne es sich beim Warnschussarrest verhalten.

Lange habe die Politik vor dem Problem "Integration" die Augen verschlossen. Die einen hätten Vielfalt vertreten, wo mehr Gemeinsamkeit erforderlich gewesen sei, und die CDU habe geglaubt, dass die Gastarbeiter wieder nach Hause gehen würden. Heute sei der Nationale Integrationsplan eines der großen gesellschaftspolitischen Vorhaben der Koalition.

Auf die Frage einer Journalistin, warum es keine Übersetzungen des Integrationsplans gebe, entgegnet Merkel: "Man könnte ja auch daran arbeiten, ihn auf Deutsch lesen zu können."

Auf die zahlreichen Fragen nach dem Streit in der Koalition reagiert sie mit Ausführungen über die Seele von Parteimenschen, die sich auch mal mit Leidenschaft in Landtagswahlkämpfe begeben müssten, wenngleich sie glaube: "Insgesamt unterschätzen die Parteien, dass die Bevölkerung mehr Harmonie vertragen kann." Sie wolle gar nicht behaupten, dass man jetzt die allerharmonischste Zeit habe, aber sie habe das tiefe Gefühl, dass beide Seiten wieder gut zusammenarbeiten könnten.