Elektroschockpistole Politiker wollen Taser für die NRW-Polizei
Experten nehmen am Donnerstag im Landtag Stellung zur Elektroschockpistole. CDU und FDP wollen einen Testlauf, auch die SPD signalisiert Offenheit.
Düsseldorf. Der Taser (Elektroschockpistole) im Einsatz: April 2012, eine Wohnstraße im Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk. Seit Stunden spricht eine Polizistin des Verhandlungsteams vom Korb einer Drehleiter aus mit einer Frau, die wild gestikulierend am offenen Fenster steht. Ihr soll der 13 Jahre alte Sohn entzogen werden — doch die verzweifelte Frau droht, sie werde sich und dem Kind etwas antun. Die Polizei ist vorsichtig — bei einem ähnlichen Fall Jahre zuvor war eine Mutter schließlich vom Dach gesprungen; sie und ihr Kind, das sich an ihr festgehalten hatte, waren gestorben. Als die Frau immer aufgeregter wird, greift schließlich ein Mann vom Spezialeinsatzkommando ein: Mit einem Taser schießt er, als sich die Mutter gerade einmal vom Fenster abwendet. Sie sackt in sich zusammen. Wenige Minuten später ist sie wach, unverletzt, ihr Sohn in Sicherheit. Das Familiendrama endet glimpflich.
Das Beispiel aus der Düsseldorfer Praxis zeigt, wie die Elektroschockpistole in NRW bereits eingesetzt wird. Aus mehreren Metern Distanz werden Projektile abgeschossen, sie dringen durch die Kleidung, Nadeln mit kleinen Widerhaken in die Haut, dann werden sie unter Strom gesetzt, die Muskulatur erschlafft sofort. Die Spezialkräfte greifen 25 bis 30 Mal im Jahr zu diesem Mittel. Ihre Kollegen im Streifendienst hingegen dürfen bislang nicht mit dem Taser arbeiten. Das wollen Politiker jetzt ändern: Auf Antrag der FDP nehmen am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags Experten Stellung zu der Frage, ob die Geräte in der Praxis erprobt werden sollen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat sich mit dem Thema bereits eingehend beschäftigt: Anderthalb Jahre untersuchte eine Arbeitsgruppe den Taser-Einsatz, schaute sich vor allem die Erfahrungen in Österreich, der Schweiz, England und Wales an. Statistiken aus den beiden letzten Staaten belegen laut Gewerkschaft die abschreckende Wirkung des Schockers: So habe 2015 in 81 Prozent der Fälle die Androhung ausgereicht, um eine Situation zu beruhigen — nur in 19 Prozent sei der Taser auch abgefeuert worden.
Mehrere Bundesländer machen derzeit den Weg frei für eine Erprobung des Tasers bei der Polizei. Gerade hat Berlin angekündigt, dies über drei Jahre zu tun. Arnold Plickert, NRW-Vorsitzender der GdP, meint auch mit Blick auf Nordrhein-Westfalen: „Es ist einen Probelauf wert.“ Allerdings müsse klar sein, dass der Taser kein Ersatz für die Schusswaffe ist, sondern als „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“ eingestuft wird — sonst kämen Polizisten in Zukunft stets in die rechtliche Bredouille, wenn sie doch mal die Waffe ziehen. Zudem sei eine „intensive Fortbildung der Beamten zwingend erforderlich.
CDU-Innenpolitiker Gregor Golland freut sich über den neuen Anlauf für eine Taser-Erprobung in NRW — die er bereits seit Jahren fordere. „Der Taser schließt die Lücke zwischen Pfefferspray und Dienstwaffe“, ist er überzeugt. Er nennt ein Beispiel: den verwirrten Mann, der 2013 nackt in einem Brunnen in Berlin stand, mit einem Messer auf einen Polizisten zuging — und von diesem erschossen wurde. Golland ist sicher: Hätte der Beamte eine Elektroschockpistole gehabt, wäre das nicht passiert. Seine Fraktion will den FDP-Antrag daher unterstützen.
Den Liberalen geht es bei ihrem Vorstoß nicht nur darum, dass Einsätze entschärft werden, sondern auch um den Schutz der Beamten. „Gerade angesichts zunehmender Gewalt gegen unsere Einsatzkräfte und zur Vermeidung dramatischer und traumatischer Einsatzverläufe wäre es sträflich, dieses Einsatzmittel in NRW nicht zu erproben“, sagt FDP-Mann Marc Lürbke.
Auch die SPD signalisiert zumindest Offenheit für den Vorschlag. Aus der Fraktion heißt es, man wolle die heutige Expertenanhörung im Innenausschuss abwarten, bevor man Stellung beziehe. Verena Schäffer von den Grünen indes sieht für einen Test „keine Notwendigkeit, denn die Polizistinnen und Polizisten sind vom Einsatzmehrzweckstock bis zur Dienstwaffe bereits gut ausgestattet“. Zudem seien mögliche Gesundheitsrisiken der Schocks noch nicht abschließend geklärt.