Podiumsdiskussion Reul diskutiert mit Braunkohlegegnern - Streit um die Protestformen am Hambacher Forst
Düsseldorf · Auf Einladung der Bundeszentrale für politische Bildung diskutiert Innenminister Reul mit Braunkohlegegnern. Die Stimmung ist gereizt. Die Frage steht im Raum steht: Welche Formen des Protestes sind legitim?
Die gereizte Stimmung wirkt noch nach. Draußen vor der Rheinterrasse Düsseldorf werden Flugblätter über „Reuls ,Wahrheiten‘“ verteilt. Vier vermeintliche Lügen des NRW-Innenministers im Zusammenhang mit dem Streit um den Hambacher Forst sollen damit entlarvt werden. Drinnen im Gelben Salon sitzt Reul selbst und diskutiert über die noch nicht ausgestandene Konfrontation am Rande des Braunkohletagebaus.
Die Gereiztheit setzt sich auf dem Podium der Bundeszentrale für politische Bildung fort. Die so grundsätzliche wie alte Frage, die im Raum steht: Welche Formen des Protestes sind legitim? Da prallen Weltbilder aufeinander. Jens Sannig, Superintendent des Kirchenkreises, sieht in der „neuen Vehemenz, die uns da entgegenschlägt“, einen Ausdruck des engen Zeitfensters, das nur noch bleibe, um dem Klimawandel zu begegnen. „Die jungen Menschen der Welt werden sich mit unseren Antworten nicht mehr zufriedengeben.“ Daraus ergibt sich für den Theologen die Legitimität zivilen Ungehorsams.
Nicht nur für Reul ist dagegen die Grenze des Protests dort erreicht, „wo Regeln, die der Rechtsstaat gesetzt hat, übertreten werden“. Auch Reiner Burger, NRW-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), verteidigt vehement den gesetzlichen Rahmen: „Niemand kann diesen Konsens für kein Ziel der Welt auflösen, weil wir ein Rechtsstaat sind.“
Dass auch innerhalb der Anti-Braunkohle-Bewegung kein Konsens über die legitimen Formen des Protests besteht, hält der Berliner Protestforscher Simon Teune für normal. „Nicht alle sind der gleichen Meinung und nicht alle haben dieselben Grenzen.“ Aber diese Grenzen könnten sich im Laufe der Zeit auch verschieben: „In den 80er Jahren waren ziviler Ungehorsam und Sitzblockaden ein Fall für den Staatsanwalt. Heute halten das zwei Drittel der Befragten für legitim.“
Nach einer Stunde passiert zwischenzeitlich das, was eigentlich verhindert werden sollte: Aus dem abstrahierten Blick auf Protestbewegungen und ihre Entwicklung wird das unversöhnliche Kleinklein der Hambacher Konflikte. Dirk Jansen, NRW-Geschäftsführer des BUND, attackiert den Innenminister aus dem Publikum, hält ihm im Zusammenhang mit der zunächst verbotenen Demonstration am Hambacher Forst Schikane vor.
NRW-Innenminister verteidigt die Räumung der Baumhäuser
Reul seinerseits verteidigt die Räumung der Baumhäuser nach wie vor. Ob er das wieder tun würde? „Ja, selbstverständlich.“ Dann wird das Flugblatt von draußen auch Gegenstand der Diskussion: „Wie wichtig ist Ihnen die Wahrheit oder verdrehen Sie sie auch mal gerne?“, geht eine provokative Publikumsfrage an den Innenminister.
Reul geht die Vorwürfe einzeln durch, räumt in einem Fall einen Irrtum ein, bleibt aber beispielsweise dabei, dass nach dem Unfalltod des Bloggers Steffen Meyn von Besetzern skandiert worden sei: „Scheiß drauf. Räumung ist nur einmal im Jahr.“ Das sei allerdings nicht direkt an der Absturzstelle, sondern in einiger Entfernung geschehen.
Einen Konsens in der Kohlekommission werde es nicht geben, allenfalls einen Kompromiss, sagt Mitglied Antje Grothus, die im Publikum sitzt. Das gilt am Ende auch für die ganze Diskussion über den Hambacher Forst. Als Reul ein Schlichter vorgeschlagen wird, um die Konfrontation von Staat und Protest zu entschärfen, ist der skeptisch: „Kann man das nicht einfach verabreden, dass sich alle an die Regeln halten?“