Sauerland-Prozess: Erste Risse in der Mauer des Schweigens
Nach 14 Verhandlungstagen setzt die Justiz auf ein mögliches Geständnis. Angeklagter Attila Selek könnte mit einem Geständnis am meisten gewinnen, zumal, wenn er die Mauer des Schweigens als erster durchbricht. Für seine mutmaßlichen Komplizen wäre das allerdings ein Tiefschlag.
Düsseldorf. Seit sieben Wochen wird im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts der größte deutsche Terrorprozess seit RAF-Zeiten verhandelt. 14 Verhandlungstage hat der Senat unter Vorsitz von Ottmar Breidling bereits hinter sich gebracht. Mehrfach appellierte der Richter an die Angeklagten, ein Geständnis abzulegen, wenn es denn etwas zu gestehen gebe.
Inzwischen mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Appelle Breidlings nicht ungehört verhallt sind. Die Mauer eisigen Schweigens, auf die das Gericht bei seinen Befragungsversuchen beim Prozessauftakt stieß, zeigt Risse.
Das erste Indiz war ein Zettel. Bereits Mitte Mai war das Stück Papier bei den Angeklagten gefunden worden. Aus dem Kassiber geht hervor, dass die mutmaßlichen Terroristen durchaus rege über Sinn und Zeitpunkt eigener Aussagen diskutieren.
Bislang hatten die Verteidiger vehement gegen solche Absichten argumentiert. "Wer hier gesteht, wird erst mal ein Jahr lang vernommen", heißt es in den Prozesspausen.
Und wer sich bei den mindestens 1000 Nachfragen des akribischen Breidling in Widersprüche verheddere, habe letztlich nichts von einem Geständnis. Auch werde sich das Gericht den Erfahrungen zufolge nicht damit abfinden, dass die Angeklagten nur einräumen, was ihnen ohnehin zu beweisen ist. Es geht um Hintermänner, Geldgeber und internationale Strukturen.
Den Kern des Geschehens, die Vorbereitung von Anschlägen mit Autobomben und hunderten Kilo Sprengstoff, den Kauf geeigneter Chemikalien, das Treffen zwecks Bombenbaus im Sauerland, die Diskussion über geeignete Ziele - das alles haben Abhöranlagen mitgeschnitten, Beamte protokolliert und Sprachexperten begutachtet.
Daran ist auch für die Verteidiger kaum zu rütteln. An den Gesprächen hatten sich Fritz Gelowicz, Daniel Schneider und Adem Yilmaz allzu offen und rege beteiligt.
Das Augenmerk der Bundesanwälte richtet sich auf den vierten Angeklagten, Atilla Selek. Er war der Anklage zufolge nur in die Zünderbeschaffung und in die Fluchtpläne einbezogen, hat nicht wie die anderen drei "auf den Fässern gesessen", wie sein Anwalt Axel Nagler sagt.
Selek könnte mit einem Geständnis daher am meisten gewinnen, zumal, wenn er die Mauer des Schweigens als erster durchbricht. Für seine mutmaßlichen Komplizen wäre das allerdings ein Tiefschlag.
Seleks Verteidiger sieht durch die Tatsache, dass die allermeisten Zünder defekt waren, seinen Mandanten ohnehin in milderes Licht gerückt. Auf die Frage, ob von seinem Mandanten bald ein Geständnis zu erwarten ist, sagte Nagler der Deutschen Presse-Agentur offen: "Das könnte sein."
Eine kleine Geste deutet darauf hin, dass das Gericht einer solchen Entwicklung aufgeschlossen gegenüber steht. Als nach einem Tumult im Gericht die Angeklagten von Wachtmeistern mit Handschellen gefesselt wurden, ordnete Breidling an, sie Selek wieder abzunehmen.