Sozialarbeiter als Terrorhelfer?

Carsten S. soll für den „Nationalsozialistischen Untergrund“ eine Waffe besorgt haben.

Düsseldorf. Er führte ein normales Leben und engagierte sich in seinem Job für Homosexuelle — doch am Mittwoch wurde Carsten S. von seiner braunen Vergangenheit eingeholt.

In den Morgenstunden haben Beamte der Spezialeinheit GSG 9 den mutmaßlichen Helfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in dessen Wohnung in Düsseldorf-Oberbilk festgenommen.

Die Beamten brachen die Tür auf und überraschten S., der sich mit seinem Lebensgefährten in der Wohnung befand. Laut Bundesanwaltschaft ließ der 31-Jährige sich widerstandslos festnehmen.

Dem gebürtigen Thüringer wird die Beihilfe zu sechs verübten und einem versuchten Mord vorgeworfen. Er soll 2001 oder 2002 dem mittlerweile als mutmaßlichen NSU-Helfer inhaftierten Ralf W. eine Schusswaffe samt Munition übergeben haben.

Zudem steht S. in dem Verdacht, die Zwickauer Zelle um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe finanziell unterstützt zu haben. Um die Jahrtausendwende soll er zeitweise als Einziger Kontakt zu ihnen gehabt haben.

Das Neonazi-Trio soll für die Morde an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft sowie an einer Polizistin in Heilbronn 2007 verantwortlich sein. Auch zwei Bombenattentate in Köln 2001 und 2004 und Banküberfälle werden ihnen zugeschrieben. Warum das Zwickauer Trio jahrelang unentdeckt morden und rauben konnte, muss ein Untersuchungsausschuss bis Mitte 2013 klären.

S.’ braune Karriere ist beachtlich: 1999 und 2000 war er im rechtsradikalen „Thüringer Heimatschutz“ und bei der NPD aktiv. Laut Verfassungsschutz wurde er im Juli 2000 zum stellvertretenden Vorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten Thüringens gewählt. S. organisierte Märsche und Nachwuchsschulungen.

Bis 2003 soll er laut Bundesanwaltschaft Kontakte zu Rechtsradikalen unterhalten haben. Das widerspricht der Darstellung von S.’ Anwalt, sein Mandant sei 2000 aus der Szene ausgestiegen.

„Seitdem habe ich mich davon distanziert und verabscheue jegliche Art von rechtem, rassistischem und extremistischem Gedankengut“, ließ S. mitteilen. Zur Frage, ob er das Neonazi-Trio persönlich kannte, schwieg sich S. allerdings aus. „Mehr möchte ich dazu nicht sagen, da ich vor elf Jahren ein neues Leben begonnen habe.“

2003 begann S. in Düsseldorf an der Fachhochschule ein Studium der Kultur- und Sozialwissenschaften. Er arbeitete seit 2005 bei der Aids-Hilfe. Dort betreute er Projekte für Schwule und ein schwul-lesbische Jugendzentrum.

Mit seiner Vergangenheit sei S. offen umgegangen, sagte der geschockte Aids-Hilfe-Geschäftsführer Peter von der Forst. „Er hat sich glaubhaft von der rechten Szene und deren Gedankengut distanziert. Wir dachten, es sei sinnvoll, ihm eine Chance zu geben.“ S. sei ein netter Mitarbeiter gewesen. Ob der Milieuwechsel mit Hilfe eines Aussteigerprogramms geschah, darüber halten sich die Behörden bedeckt.