Strafvollzug: NRW-Ministerin unter Beschuss

Die SPD sieht die Verantwortung für den Siegburger Foltermord und fordert erneut den Rücktritt von Landesjustizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU).

Düsseldorf. Vor einem Jahr wurde der 20-jährige Hermann H. im Siegburger Gefängnis von drei Mitgefangenen bestialisch zu Tode gefoltert. Die Täter sind mittlerweile zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Politische Konsequenzen gab es keine. Die SPD forderte erneut den Rücktritt von Landesjustizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU). Sie sieht die Politikerin wegen neuer Fakten tief in den Skandal verstrickt.

"Die Ministerin hätte den Foltermord verhindern können, wenn sie rechtzeitig reagiert hätte", sagte der Landtagsabgeordnete Thomas Stotko. Er ist der Sprecher der SPD im Untersuchungsausschuss zum Mord.

Stotko und sein Team haben in den Akten eine Notiz gefunden, die sie alarmiert hat. Zehn Monate vor der Siegburger Tat, also im Januar 2006, gab es innerhalb der Justizverwaltung den Vorschlag, die völlig überbelegte Jugendstrafvollzugsabteilung in Siegburg dadurch zu entlasten, dass mehr als 30 junge Männer in die Wuppertaler Haftanstalt verlegt werden sollten. Eine Gesprächsnotiz in den Akten von Mitte Februar belegt laut SPD, dass dies nach einem Anruf eines "Mitarbeiters der Vollzugsanstalt Wuppertal im Büro der Ministerin" verworfen worden sei.

"Damit ist klar, dass die Ministerin persönlich verantwortlich ist", sagte der SPD-Politiker Ralf Jäger. Neben diesem Vorgang haben die Sozialdemokraten die Abläufe im Vorfeld des Mordes rekonstruiert. So listen sie auf, dass es alleine im Jahr 2006 vier Gewalttaten im Siegburger Gefängnis gegeben hat. Darunter ein Fall, der fatal an die Grundstruktur des Mordes an Hermann H. erinnert. Im April 2006 quälten in einer Viererzelle zwei Täter einen 21-jährigen über Wochen, schlugen ihn und zwangen ihn zu sexuellen Handlungen. Dazu gab es laut SPD immer wieder Warnungen aus dem Justizbetrieb an die Ministerin vor den Folgen der notorischen Überlegung und der Gewalt hinter Gittern.

Die CDU nahm Müller-Piepenkötter gestern in Schutz. "Das ist ein billiger Versuch der SPD, von ihrer eigenen Verantwortung in der Vergangenheit abzulenken", sagte der CDU-Politiker Harald Giebels. Die SPD zeichne ein schiefes Bild, sagte das Justizministerium. Zwar sei der Vorschlag, Gefangene nach Wuppertal zu verlegen, aufgegeben worden, aber nur, weil durch eine andere Maßnahme Siegburg noch stärker entlastet worden sei.