Berlin. Erfurt, Emsdetten, Winnenden, Ansbach: Lassen sich Amokläufe an Schulen verhindern? Der US-Psychologe Peter Langman hat Fälle aus den vergangenen 20 Jahren untersucht und sagt: Ja. Weil die Täter lange vor der Tat Signale aussenden und Spuren legen. Es muss nur jemand da sein, der diese Zeichen lesen will und kann.
Rund 100 Amokläufe an Schulen hat es in den vergangegen 30 Jahren gegeben. Seit dem Massaker an der Columbine High School von 1999 stiegen die Zahlen rapide an - und die Debatte über Tatmotive und Tätertypen nahm zu.
Das Problem: Allein in Deutschland gibt es vermutlich Hunderte von Einzelgängern, die Wut im Bauch, Mordgedanken im Kopf und leichten Zugang zu Waffen haben. Doch nur ein Bruchteil von ihnen wird zum Mörder.
Drei Typen von Persönlichkeitsstörungen hat Langman bei jugendlichen Amoktätern ausgemacht: Der psychotische Täter leidet an schizophrenen oder paranoiden Wahnvorstellungen. Der traumatisierte Amokläufer wendet eigene Leiderfahrung gegen andere, will sich rächen. Der dritte Typ hat eine narzisstische Natur, ihm fehlt jegliches Einfühlungsvermögen.
Eins verbindet alle drei: "Die Täter lassen ihre Pläne Wochen, Monate, zum Teil Jahre zuvor durchsickern", weiß Rebecca Bondü, die an der Berliner Freien Universität Amok-Tatankündigungen erforscht hat. Ob Erfurt oder Ansbach: "Man hätte die Taten verhindern können."
"Sehr wertvoll", findet Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann die Studie des Amerikaners Langman, die soeben auf Deutsch erschienen ist. Der renommierte Bielefelder Konfliktforscher, der sich seit Jahren mit Gewalt an Schulen befasst, dämpft jedoch die Erwartungen: "Die Taten sind zielgerichtet, sie stehen am Ende einer langen Handlungskette, aber wir können Amokläufe nicht sicher voraussagen."
Zwar gingen die Zahlen der Tötungsdelikte mit jugendlichen Tätern insgesamt zurück. Größer dagegen werde die Zahl derjenigen männlichen Teenager, die es schwer finden, sich in einer immer offeneren Gesellschaft ausreichend selbst zu kontrollieren.