Politik Wie NRW künftig seine Lehrer fortbilden will
Düsseldorf · Das Angebot ist schlecht: keine Steuerung, zu wenig Pflicht, Aktualität und Übersichtlichkeit. Jetzt aber soll NRW bundesweit zum Taktgeber werden.
Wann gab es zuletzt eine Reform der Lehrerfortbildung in Nordrhein-Westfalen? Kaum zu ermitteln. Wie viel Geld steht Schulen für Fortbildung zur Verfügung? Schwierig zu sagen, es ist kompliziert (siehe Kasten). Wer hält Fortbildungen eigentlich nach? Eigentlich die Schulleitung, aber ganz klar ist das nicht.
Alle Antworten, die es gestern im NRW-Schulministerium auf Nachfragen zum Prozess der Fortbildungen für seine rund 200 000 Lehrer gab, blieben vage beantwortet. Schon damit war der Beweis angetreten, dass es um die Lehrerfortbildung in Nordrhein-Westfalen schlecht bestellt ist: kein System, keine zentrale Steuerung, keine Projektierung, keine Verbindlichkeit – und unmodern. Das ist die Diagnose, die das Schulministerium in Düsseldorf gestern der Öffentlichkeit präsentierte. Zu Rate gezogen worden war eine Kommission aus Professoren, die den Zustand der Lehrerfortbildung durch qualitative Interviews und eine Online-Befragung von 2393 Schulbediensteten zwei Jahre lang evaluierten. Es geht dabei etwa um Angebote für Führungsverhalten, Digitalisierung, Integration oder Inklusion.
„Es gibt einen sehr deutlichen Entwicklungsbedarf“
Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte das nach Amtsantritt 2017 in Auftrag gegeben, jetzt sind die Ergebnisse der Expertenkommission da. Unter dem Strich stehe fest: „Es gibt einen sehr deutlichen Befund und einen deutlichen Entwicklungsbedarf“, sagte Mathias Richter (FDP), Staatssekretär im NRW-Schulministerium. Weiterbildungsforscher Dieter Gnahs von der Universität Duisburg-Essen machte es noch deutlicher: Das Thema liege bundesweit brach, sei im Schlagschatten anderer politischer Themen geblieben, „obwohl es eigentlich der Schlüssel ist“, so des Professors Einschätzung. Und: NRW sei allein mit dieser Evaluierung schon „ein Vorreiter“ und habe die Chance „zum Taktgeber zu werden“.
Die Diagnose: Das Qualifizierungsangebot sei zu unübersichtlich. Mit dem Ministerium, den Bezirksregierungen, dem Landesinstitut QUA-LIS, den 53 Kompetenzteams in den Schulamtsbezirken und den Schulen selbst seien schlicht zu viele Akteure im Spiel. „Wir müssen da zu mehr Steuerung aus dem Ministerium kommen“, forderte Richter. Zudem brauche es eine längerfristige und detailliertere Fortbildungsplanung, die Lehrer intensiver und dann auch mal über mehrere Tage im Wechsel mit Praxis fortbilde, ohne dass dabei zu viel Unterricht ausfallen müsse. Bislang sei Fortbildung noch zu oft kurzlebige „Druckbetankung“, sagte Gnahs.
Zudem brauche Fortbildung neue Qualität und Wirksamkeit – und müsse auch in die „Fläche getragen werden“, wie Richter sagte. Die Bedarfe seien neu zu ermitteln. Sie würden sich auch von Region zu Region unterschieden. Weitere Empfehlungen: Mehr Zeit für Qualifizierung von Fortbildungskräften, mehr Aufstiegsmöglichkeit für Fortbildende. Und: Fortbildungsbudgets sollten ziel- und zweckgebunden vergeben werden. Und selbst die Schülerschaft soll befragt werden, wenn es um Fortbildungsbedarf für Lehrer geht. Dass Fortbildung wichtig sei, dürfe keine Frage sein. „Alle Studien zeigen, dass für den Unterrichtserfolg das Lehrerverhalten entscheidend ist“, sagte Gnahs.
Dass Lehrkräfte eine Pflicht zur Weiterbildung haben, sagt das Schulgesetz, bleibt aber unkonkret, wenn es um Quantität und Qualität geht. Es gebe keine Daten über die Teilnahme von Lehrkräften an Fortbildungen, sagte Richter. „Es gibt zu wenig Steuerungswissen.“ Jetzt will das Schulministerium einen breiten Beteiligungsprozess starten. Denn die Lehrerfortbildung ist Mitbestimmungspflichtig, deshalb soll den Personalräten der Plan in Kürze vorgestellt werden. Ziel sei, noch in dieser Legislaturperiode „zu wissen, wohin der Weg geht“, sagte Richter. Die Umsetzung werde aber über die laufende Legislatur hinaus andauern.