Zitterpartie US-Wahl: Szenen einer langen Nacht
Barack Obama lenkt sich mit Basketball ab, Mitt Romney kämpft bis zuletzt. Beide bereiten sich auf das Schlimmste vor.
Washington. Der Wahltag ist schon angebrochen, als die Präsidentenmaschine Air Force One in Chicago aufsetzt. Müde, aber gewohnt strahlend gehen Präsident Barack Obama und First Lady Michelle die Gangway herunter. Für das Ehepaar ist in diesen nächtlichen Minuten der Wahlkampfmarathon der vergangenen 17 Monate zu Ende.
Ausschlafen wollten die beiden im eigenen Haus erst einmal, wie es aus der Präsidenten-Delegation hieß. Danach stand Obama bereit, erst US-Sendern Interviews zu geben und dann ein paar Körbe zu werfen und sich beim Basketball zu entspannen. Am Abend wollte der 51-Jährige mit Beratern und Freunden auf die Wahlergebnisse warten.
Dass dieses Warten ein Nervenkitzel werden könnte, hatte Obamas Vize-Wahlkampfmanagerin Stephanie Cutter schon eingeräumt — und die Gefolgschaft aufgerufen, cool zu bleiben. Ihre Devise: Nicht die Nerven verlieren, auch wenn das Fernsehen Bilder langer Schlangen vor Wahllokalen in republikanischen Hochburgen zeige oder erste Ergebnisse Obamas Herausforderer Mitt Romney in Führung sehen sollten. „Bleibt ruhig und twittert.“
Durchatmen oder Basketball spielen — das kam für Romney nicht infrage. Der 65-Jährige ging in seiner Wahlheimat Boston in Massachusetts wählen. Dann jettete er noch einmal nach Ohio und Pennsylvania — zwei Staaten, die als wahlentscheidend galten.
„Das ist ein Akt der Verzweiflung. Er weiß, was ihm in der Wahlnacht blüht“, meinte Obamas Wahlkampfberater Robert Gibbs. Aber es klang ein bisschen so, als wolle sich Gibbs Mut machen. Schließlich deuteten bis zuletzt Umfragen auf eine der knappsten Wahlen der Geschichte hin.
Der Präsident gab sich optimistisch. Ähnlich beschrieb Romney seine Gefühle. Ehefrau Ann hatte klar ihre Augen auf das Weiße Haus geworfen. „Werden wir bald Nachbarn sein?“, rief sie einer Menschenmenge in Virginia, dem an Washington D.C. grenzenden Staat, zu.
Schon die erste Abstimmung zeigte, wie knapp es zuging. Traditionell wählten die Bürger des Dorfes Dixville Notch in New Hampshire (Ostküste) kurz nach Mitternacht. Hatte Obama hier 2008 eine 40-jährige republikanische Vorherrschaft gebrochen, gab es diesmal ein Patt — für viele ein Omen.
Vor allem für das, was in Ohio blühen könnte — dem wohl wichtigsten Schlüsselstaat dieser Wahl. Hier stand schon ein Heer von Rechtsanwälten bereit, um Klagen anzugehen, sollte das Ergebnis angefochten werden.