Zschäpes Auftreten empört Türkei
Medien kritisieren „arrogante Show“ der Hauptangeklagten.
Istanbul. Das Auftreten von Beate Zschäpe im NSU-Prozess wird in der Türkei als Provokation empfunden. „Jahrhundert-Prozess hat begonnen. Arrogante Show der Nazi-Braut“, schreibt die Tageszeitung „Türkiye“ am Tag nach dem Prozessauftakt vor dem Oberlandesgericht München und fasst damit zusammen, was sich gestern wie ein roter Faden durch die Berichterstattung zieht.
Scharfe Sicherheitsvorkehrungen und Durchsuchungen Prozessbeteiligter — die Hauptangeklagte in München dagegen entspannt wirkend, schweigend und ohne Handschellen. Mit vor der Brust verschränkten Armen und einem als höhnisch empfundenen Lächeln, so beschreibt die Tageszeitung „Hürriyet“ die Angeklagte in ihrem dunklen Hosenanzug. Das als selbstbewusst empfundene Auftreten Zschäpes streut Salz in die Wunden.
Es stoßen Welten aufeinander: Denn wie anders ist es oft in der Türkei, wo schon Verdächtige gefesselt, mit auf den Rücken gedrehten Armen oder gesenkten Köpfen von Polizisten an Fernsehkameras vorbei abgeführt werden. Oftmals kommt die demonstrative Unterwerfung lange vor der Strafe.
Die Türkei selbst hat viele Defizite im Justizwesen und im Strafvollzug, die in Untersuchungen internationaler Organisationen dokumentiert sind. Auch die deutsche Regierung hat immer wieder Reformen angemahnt. Die von Pannen begleiteten NSU-Ermittlungen, die Vernichtung von Akten und Rücktritte deutscher Geheimdienstler haben die Verhältnisse umgekehrt. Die als Musterknaben aufgetretenen Deutschen finden sich nun in der Türkei selbst am Pranger.
Das Land rätselt über diesen Fall und erklärt sich Ungereimtheiten in der Rolle deutscher Behörden mit Erfahrungen aus dem eigenen Staat, der viele politisch motivierte Anschläge erlebt hat. Die Verwicklung nationalistischer Polizisten und Offiziere beschäftigte wiederholt die Gerichte. Für viele Kommentatoren scheint es naheliegend, dass auch in Deutschland dunkle Mächte die Strippen ziehen.
Die Regierung in Ankara hat sich zum Prozessauftakt weitgehend zurückgehalten. Vizeregierungschef Bakir Bozdag forderte ein faires Verfahren und eine gerechte Strafe für Zschäpe. Die Richter rief er nach dem Streit um die Platzvergabe an türkische Medien auf, keine Entscheidungen zu treffen, die ihre Neutralität infrage stellen könnten.
Deutlicher wurde die Menschenrechtskommission des türkischen Parlaments. „Es ist nun an der Zeit zu zeigen, dass Taten von Extremisten wie dieser Neonazi-Gruppe nicht länger straflos bleiben können“, sagte der Vorsitzende der Kommission, Ayhan Sefer Üstün, der türkischen Tageszeitung „Today‘s Zaman“. Das Gericht habe die Verantwortung, eine „historische Entscheidung“ gegen Rassismus und Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft zu treffen.