Kein Tier in mir: Wenn Jugendliche zu Veganern werden
Gerlingen (dpa/tmn) - Ernähren sich Jugendliche auf einmal vegan, bringt ihnen das nicht nur Fans ein. Eltern machen sich Sorgen, von Geschwistern und Freunden kommen dumme Sprüche. Dann heißt es: erklären, ohne andere missionieren zu wollen.
Lachs ohne Fisch drin, Käse ohne Milch und selbst Hundefutter ohne Fleisch. Was ungewöhnlich klingt, gehört für Nicole Froning zum Alltag. Die 23-Jährige ist die Inhaberin des ersten veganen Supermarkts in Düsseldorf, „Pfau“. Sie bietet Lebensmittel an, die keine tierischen Produkte enthalten. Neben Fleisch und Fisch sind also auch Milch, Eier und Honig tabu.
Vor drei Jahren kannte Froning die Produkte, die sie verkauft, noch gar nicht. Sie war Landwirtin in Münster, molk täglich Kühe und sortierte Schweine zum Schlachten aus. „Zur Veganerin wurde ich erst, als ich mich über gesunde Ernährung informierte“, erzählt die junge Frau. Zu den gesundheitlichen Beweggründen kamen moralische.
Wie unterschiedlich die Gründe sind, vegan zu leben, weiß Hendrik Thiele. Er ist Leiter von PETA2, einer Jugendkampagne der Tierrechtsorganisation mit Sitz in Gerlingen. Er hat jeden Tag mit Jugendlichen zu tun, die auf tierische Produkte verzichten. „Letztens sprach ich mit einer 14-Jährigen, die seit zwei Jahren vegan lebt“, erinnert er sich. „Sie begründete das damit, dass es ihr körperlich besser gehe.“ Außerdem wollte sie Tiere und die Umwelt schützen.
Das Mädchen kannte sich gut in Ernährungsfragen aus. Dieses Wissen findet man laut Thiele bei den meisten Veganern. Doch bis dahin gibt es viel zu lernen. Mädchen und Jungen müssen darauf achten, genügend Proteine, Kalzium, Eisen, Zink und Jod zu sich zu nehmen. Ein Mangel kann bei Vitamin B2, Vitamin D und vor allem bei Vitamin B12 auftauchen. Veganer sollten wissen, wie sie Getreide, Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse und eventuell Ergänzungsmittel kombinieren müssen, um alle wichtigen Nährstoffe zu erhalten.
Besonders für jugendliche Veganer sei das wichtig, sagt Isabelle Keller von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn. „Sie sind schließlich im Wachstum. Da benötigt der Körper viel Energie.“ Sie empfiehlt jungen Menschen deshalb, ihre Nährstoffversorgung beim Arzt kontrollieren zu lassen.
Die Eltern von Froning konnten die neuen Essgewohnheiten ihrer Tochter anfangs nicht nachvollziehen. Also griff sie zu einer Notlüge: „Ich sagte, ich mag kein Fleisch mehr und darf wegen einer Laktoseintoleranz keine Milch mehr trinken.“ Als sich ihre Eltern darauf eingestellt hatten, rückte sie mit der Wahrheit raus.
PETA2 bietet einen Elternguide an, der die wichtigsten Fragen beantwortet. Junge Veganer können Mutter und Vater erklären, dass für sie nicht extra gekocht werden muss oder dass sie trotzdem noch mit ins Restaurant gehen. „Informiert euch gut, redet mit der Familie und erklärt, dass eure Ernährung keine Modeerscheinung ist und ihr damit nicht rebellieren wollt“, rät Thiele Jugendlichen.
Er sieht die Probleme im Alltag vor allem bei doofen Sprüchen. „Wenn man bei der Geburtstagsfeier als Außenseiter gilt, weil man den Kuchen nicht essen möchte, bringt man eben vegane Muffins zum Probieren mit“, rät er. Wichtig sei, nicht zickig zu reagieren. Selbst dumme Fragen sollten ernst genommen und mit Argumenten beantwortet werden.