Büro-Alltag: Damit die Wirbelsäule nicht ins Koma fällt
Langes Sitzen am Schreibtisch schadet dem Rücken. Wer Schmerzen vorbeugen will, verschafft sich immer mal wieder Bewegung – und wenn’s der Gang zum Kopierer ist.
Wer kennt das nicht: Am Ende eines Arbeitstages ist der Nacken verspannt und der Kopf dröhnt unerträglich. Meist ist das stundenlange Sitzen am Schreibtisch schuld: Wer zu lange in ein und derselben Position verharrt, schadet seinem Rücken. Allerdings lassen sich solche Beschwerden meist schon mit einigen einfachen Handgriffen vermeiden.
"Es gibt nicht die richtige Haltung, weil es auch keine falsche Haltung gibt", sagt Prof. Ingo Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln. Jede Haltung sei zunächst richtig. Problematisch werde es nur, wenn eine Bewegung dauerhaft ausgeführt wird. "Die Dosis entscheidet darüber, ob eine Haltung gut oder schlecht ist."
Nils Graf Stenbock-Fermor, Vorsitzender des Deutschen Orthopäden-Verbandes (DOV) in Aachen, ergänzt: "Jede Bewegung ist gut - lange Belastung wie Sitzen ist dagegen schlecht."
Dennoch kleben viele Menschen den ganzen Arbeitstag auf ihrem Schreibtischstuhl. Die Folge: Fast 80Prozent der Menschen in Deutschland leiden laut DOV mindestens einmal im Leben unter wochenlangen Schmerzen des Rückens - von der Hals- bis zur Lendenwirbelsäule.
Sieben bis acht Millionen Menschen quälen sich sogar dauerhaft damit. Und nicht nur Ältere leiden darunter. "Meist trifft es arbeitende Männer und Frauen zwischen 35 und 50", sagt Stenbock-Fermor. "Sie haben keine Beschwerden und glauben, dass sie deswegen auch präventiv nichts tun müssen - bis sie plötzlich Probleme haben."
Daher ist es wichtig, dass der Arbeitsplatz optimal eingerichtet ist. "Vor allem der Stuhl muss individuell eingestellt werden", erklärt Heike Drechsler, Mitglied im Fachteam Betriebliches Gesundheitsmanagement der Barmer-Krankenkasse in Wuppertal und zweifache Weitsprung-Olympiasiegerin. "Man sollte möglichst locker sitzen und den gesamten Stuhl nutzen."
Gut sei daher, wenn das Hüft- und Kniegelenk um jeweils 90Grad angewinkelt seien. Die Füße sollten dabei ganz auf dem Boden stehen. "Wenn nicht, kann eine kleine Fußbank helfen, entspannt zu sitzen", sagt Drechsler. Ähnliches gilt für den Oberkörper. "Die Schultern dürfen nicht hochgezogen sein, stattdessen sollten auch Ober- und Unterarme im rechten Winkel zueinander stehen."
Ein gut eingestellter Stuhl allein ist aber nicht alles. "Das ist zwar wichtig, genügt aber nicht", sagt Stenbok-Fermor. "Passive Maßnahmen ersetzen keine aktive Bewegung." Wer sich zu lange im Stuhl zurücklehnt, wird über kurz oder lang Probleme bekommen.
Daher sei ein einfacher Küchenstuhl manchmal fast besser als ein teurer Bürosessel. "Wenn man nämlich etwas unbequemer auf der Kante sitzt, bewegt man sich mehr und fällt nicht so in sich zusammen."
Wer jedoch nicht stundenlang auf einem Küchenstuhl sitzen will, kann auch auf einem bequemeren Stuhl etwas für die Gelenke und den Rücken tun. "Man sollte die Körperhaltung möglichst oft verändern, sich also alle zehn bis 20Minuten beispielsweise etwas vorbeugen oder zur Seite drehen", rät Froböse.
Außerdem seien auch der regelmäßige Gang zur Toilette und das Telefonieren im Stehen gut. Hilfreich ist laut Froböse auch, wenn man nicht alle Arbeitsgeräte in unmittelbarer Nähe aufstellt - damit man immer mal wieder aufstehen und ein Stück gehen muss.
"Darüber hinaus sollte jeder über den Tag verteilt verschiedene Übungen machen", sagt Drechsler. Um die Halsmuskulatur zu dehnen, rät sie zum Beispiel, den Kopf langsam zur rechten Seite zu neigen und zu fixieren. Dabei darf die Schulter nicht hochgezogen und der Kopf nicht verdreht werden.
Der linke Arm wird sanft nach unten geschoben und die Handfläche in Richtung Boden gezogen. Etwa 15 Sekunden halten, dabei ruhig und gleichmäßig atmen, dann die Seite wechseln. "Für die Waden ist außerdem gut, wenn man mit den Füßen auf- und abwippt", rät die Sportlerin.
Sportwissenschaftler Froböse hat noch weitere Tipps: "Rotation ist wichtig, deswegen sollten Schulter und Kopf hin und wieder seitlich nach hinten gedreht werden." Das alles müsse nicht lange dauern - schon zwei bis drei Übungen pro Tag für je eine halbe Minute bringen viel, sagt Froböse. "Sonst liegt die Wirbelsäule bei Feierabend im Koma."