Kürzere Wartezeiten für psychisch Kranke
Die Techniker Kasse will eine Erstberatung einführen. Danach soll die Therapie festgelegt werden.
Hamburg. Psychisch Kranke müssen je nach Wohnort oft Wochen auf einen Therapieplatz warten. Könnte eine Erstberatung in einer Koordinierungsstelle sie schneller zum richtigen Therapeuten schleusen?
Dies schlägt die Techniker Krankenkasse (TK) in einem Thesenpapier vor: „Therapieplätze würden in der Folge nicht falsch besetzt und stünden denjenigen zur Verfügung, die sie tatsächlich benötigen“, heißt es in dem Papier.
Die Bundespsychotherapeutenkammer schätzt den Nutzen einer solchen Koordinierungsstelle jedoch als begrenzt ein. Der Zugang für Patienten zur Psychotherapie werde zusätzlich erschwert und schränke deren Wahlfreiheit ein, kritisiert Prof. Rainer Richter, Präsident der Kammer mit Sitz in Berlin. Zudem sei solch eine Stelle bürokratisch und teuer.
Derzeit gibt es drei Therapieverfahren, die mit den Kassen abgerechnet werden können: Die Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die analytische Psychotherapie. Sie unterscheiden sich unter anderem in der Anzahl der durchschnittlichen Therapiestunden, auch in der Art und Weise, wie sie seelische Leiden behandelt werden.
Nach dem TK-Vorschlag könnte ein unabhängiger ärztlicher oder psychologischer Psychotherapeut in einer Koordinierungsstelle ein Erstgespräch führen und Patienten in eine Therapie steuern. Empfehlungen für bestimmte Psychotherapieverfahren sind jedoch laut Richter kaum möglich, da nur wenige Behandlungsleitlinien solche diagnosespezifischen Empfehlungen beinhalten würden.
Außerdem: „Die Wirksamkeit einer Psychotherapie wird durch mehrere, sehr unterschiedliche Faktoren bestimmt, unter denen das einzelne Verfahren keineswegs das wichtigste ist.“ Einen mindestens ebenso großen Einfluss auf den Behandlungserfolg habe das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut.
Für die TK erscheint es aber nicht nachvollziehbar, wenn die gleiche Diagnose bei einem Verhaltenstherapeuten in einer Kurzzeittherapie in 25 Stunden behandelt werden könne, bei einem Analytiker jedoch mindestens 40 Stunden in Anspruch nehme.
Die Kasse hat sich zudem die Diagnosen genau angeschaut. „Jeder Vierte, der eine Psychotherapie erhält, leidet an einer leichteren Erkrankung. Für diese Patienten könnten andere Angebote hilfreich sein“, sagt Thomas Ballast, stellvertretender Vorsitzender im Vorstand der TK. Darunter zählt die TK sogenannte Anpassungsstörungen etwa nach einem belastenden Erlebnis oder leichte depressive Episoden.
Die Bundespsychotherapeutenkammer warnt allerdings vor einer „Fehleinschätzung vermeintlich leichter psychischer Erkrankungen“. Sie setzt sich unter anderem dafür ein, dass Psychotherapeuten ähnlich den Hausärzten Akutsprechstunden führen und abrechnen können. Eine bessere Akutversorgung erlaube auch ein „beobachtendes Abwarten“, ob sich eine anbahnende oder leichte psychische Erkrankung bereits mit Hilfe von Informationen zur Erkrankung oder unterstützter Selbsthilfe bessern lasse. Die Idee einer Koordinierungsstelle befürworten auch die DAK-Gesundheit oder die Barmer GEK, wie Sprecher der beiden Krankenkassen bestätigen.