TK: Immer mehr junge Erwachsene bekommen ADHS-Medikamente
Hamburg (dpa) - Dass immer mehr Kinder ADHS-Medikamente bekommen, ist bekannt. Doch auch vielen jungen Erwachsenen werden Mittel wie Ritalin verschrieben. Fachärzte zeigen sich skeptisch.
Neben Kindern und Jugendlichen bekommen nach Zahlen der Techniker Krankenkasse (Tk) auch immer mehr junge Erwachsene Medikamente gegen die Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung ADHS. Die Zahl der 17 bis 20 Jahre alten Patienten, die ein Präparat zur Behandlung von ADHS verschrieben bekamen, sei von 2011 bis 2012 um zwölf Prozent gestiegen, teilte die Kasse in Hamburg mit.
Die Menge der verordneten Medikamenten-Packungen habe sich für diese Altersgruppe im selben Zeitraum um rund 20 Prozent erhöht. Einen Grund für den Anstieg sieht die Tk darin, dass erst seit April 2011 ein Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylphenidat auch für Erwachsene zugelassen ist. Hier komme ein gewisser Nachholeffekt zum Tragen. Das Präparat kann über 18-Jährigen verordnet werden, wenn sie als Kinder bereits die Diagnose ADHS hatten und andere Behandlungen nicht ausreichen.
„Die sogenannte Kinderkrankheit ADHS endet nicht automatisch an der gesetzlich festgesetzten Grenze zur Volljährigkeit“, sagte Edda Würdemann von der TK. „Daher ist es wichtig, dass man die Patienten in der Übergangszeit vom Jugend- ins Erwachsenenalter nicht einfach alleine lässt, sondern weiterhin umfassend medizinisch betreut.“
Nach einem Arzteport der Krankenkasse Barmer GEK von Ende Januar haben im Jahr 2011 rund 750 000 Menschen die Diagnose ADHS erhalten - ein Plus von 49 Prozent binnen fünf Jahren. Bekamen 2006 noch 32 000 der 10- bis 14-Jährigen Ritalin verordnet, waren es fünf Jahre später bereits 42 000. Die Forscher rechneten ihre Daten weiter hoch: Bei 25 Prozent der männlichen Jugendlichen bis zur Vollendung des 22. Lebensjahres wurde danach mindestens einmal ADHS diagnostiziert. Bei den Mädchen und jungen Frauen waren es 10 Prozent.
Überproportional betroffen sind nach Angaben der Forscher Kinder besonders junger Eltern, Kinder von Eltern mit geringerem Bildungsniveau und Kinder von Geringverdienern. In bildungsnahen Haushalten werde über Ritalin eher kritisch nachgedacht.
Auch Fachärzte sind skeptisch. Kindern und Jugendlichen würden viel zu oft Medikamente gegen ADHS verschrieben, sagte Jörg Fegert, ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Ulm, Anfang März auf einem Kongress in Rostock. Nur etwa die Hälfte der Rezepte für diese Arzneien stammten von Psychiatern, der Rest von Kinder- und Hausärzten.