Wenn die Mutterrolle zuviel ist
Beim ersten Kind sind viele Frauen überfordert. Sie bekommen Weinkrämpfe oder sogar Depressionen.
Düsseldorf. Schwierigkeiten beim Stillen, Schlafmangel, ein schreiendes Baby im Arm: Beim ersten Kind fühlen sich viele Mütter überfordert. Die Erwartungen an das Muttersein und die Realität passen plötzlich nicht mehr zueinander. Glückliche und lachende Mütter, zufrieden schlummernde Babys - so sieht er noch immer aus, der Mythos, der sich ums glückliche Familienleben rankt.
"Dass die Realität anders aussieht, erfährt man erst später", weiß Sabine Surholt, die vor 13 Jahren den Selbsthilfeverein "Schatten und Licht" gegründet hat. Dass sich mit dem ersten Kind fast alles im Leben eines Paares ändert und der Nachwuchs reichlich Anlass für Schwierigkeiten geben kann, kommt ihrer Ansicht nach nur selten zur Sprache.
"Als hätte ich mit dem Entschluss Mutter zu sein, die Beitrittserklärung zu einem Club unterschrieben, ohne das Kleingedruckte zu lesen. Und ich sah mich plötzlich konfrontiert mit einer Unzahl von Verpflichtungen, die alle meinen höchstpersönlichen Einsatz verlangten."
Die Entwicklung des Kindes wurde vom Stillen bis zur Einschulung durchgerastert", gesteht Dorothea Dieckmann in ihrem Buch "Unter Müttern. Eine Schmähschrift". Im vergangenen Jahr machte auch der bei den Filmfestspielen in Cannes vorgestellte Kinofilm "Das Fremde in mir" die Schwierigkeiten vieler Frauen nach der Geburt ihres ersten Kindes zum Thema.
Die Berliner Regisseurin Emily Alef hatte mit Müttern gesprochen, die vor allem die ersten Wochen und Monate nach der Geburt als schwierig empfanden und sich hilflos fühlten. "Sie haben nicht gleich Liebe zu ihren Kindern empfunden, sondern mussten es erst lernen. Es schwebt ein unglaublich großer Heiligenschein über der Mutterschaft", erzählt die Franco-Iranerin von ihren Recherchen zum Film.
Vor allem die häufig vorkommenden Wochenbettdepressionen sind nach wie vor ein Tabuthema. Von den Heultagen war immer schon die Rede - dass sie Wochen und Monate dauern können, macht vielen betroffenen Frauen nach wie vor Angst. Dass aus dem Baby-Blues eine hormonell bedingte Depression werden kann, ist vor allem für Mütter befremdlich, die sich lange aufs Baby gefreut haben und glauben, sich nun eigentlich rundherum glücklich fühlen zu müssen.
Aus Schamgefühl wird der Kummer häufig verschwiegen und zu einem stillen Leiden. Hinzu kommen Schulgefühle, als Mutter nicht so zu funktionieren, wie viele Frauen von sich selbst erwarten. "Ich konnte nicht mal eben zum Laden rüber laufen, zum Gymnastikkurs gehen oder Freunde treffen, ohne Arrangements zu machen, zu planen und meine Zeit einzuteilen.
Irgendwann saß ich nur noch weinend in der Ecke und hatte Angst, meinem Sohn etwas anzutun", erinnert sich Anne K. (34) an die ersten Wochen nach der Geburt. Ihr Hausarzt klärte sie über die hormonellen Veränderungen auf und verschrieb ihr vorübergehend Antidepressiva, bis sich die Situation entspannte. Sich jemandem anzuvertrauen und sich helfen zu lassen ist für die meisten Mütter ein wichtiger Schritt zur Heilung und dazu, die Veränderungen des Mutterseins zu akzeptieren.