Blumenau: Wo Brasiliens Fußballherzen für Deutschland schlagen

Blumenau (dpa/tmn) - Oktoberfest, Fachwerkhäuser, Dirndlkleider: Im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina gibt es deutsche Bilderbuchstädte. Hier drücken viele auch der deutschen Nationalmannschaft bei der WM die Daumen.

Foto: dpa

Kathleen Suzan Zwicker muss nicht eine Sekunde lang überlegen: „Für wen ich bei der Fußballweltmeisterschaft bin? Ganz klar für Deutschland“. Brasiliens Seleção finde sie zwar gut. Die Daumen aber drückt sie nicht Dante und Neymar, sondern Philipp Lahm und Manuel Neuer. Angesichts ihrer blauen Augen, ihres blondes Haares und ihren deutschen Nachnamens verwundert die Antwort nicht weiter. Doch Kathleen ist Brasilianerin und war noch nie in Deutschland.

Foto: dpa

„Ich mag vielleicht einen brasilianischen Pass haben. Aber mein Herz schlägt deutsch“, entgegnet die 24-Jährige. Sie tanzt auch lieber zur Volksmusik als zu brasilianischen Samba-Rhythmen. Auf ihrem Handy hat sie fast ausschließlich deutsche Musik, von den Toten Hosen über DJ Ötzi bis hin zu Andy Borg und Matthias Reim. Hier in Blumenau im Süden Brasiliens ist Kathleen keineswegs die einzige, die so denkt und fühlt. Das schwüle Klima, die tropische Berglandschaft und die Nähe zum Südatlantik lassen es kaum vermuten, aber viele Blumenauer haben deutsche Wurzeln, sprechen zu Hause noch deutsch und fiebern bei der Fußballweltmeisterschaft 2014 (12. Juni bis 13. Juli) für das Team von Bundestrainer Joachim Löw.

Foto: dpa

Zu Weihnachten werden hier unterm Tannenbaum deutsche Weihnachtslieder gesungen und zu Ostern bemalte Ostereier gesucht. Ein Brauch, den man in Brasilien sonst nicht kennt. In Blumenau steigen Besucher im Hotel „Steinhausen“ oder im „Blumenhof“ ab. Deutsche Fachwerkhäuser zieren die Innenstadt. Wie die anderen deutschen Volkstanzgruppen in Blumenau hat auch die „Grupo Folclórico Germânia“ kaum Nachwuchsprobleme. „Wir haben derzeit rund 30 Mitglieder zwischen 15 und 40 Jahren“, sagt Giovani Mette. Sein Vorname lässt ahnen, warum viele der Tänze und Trachten aus Tirol kommen.

Foto: dpa

Nicht wenige Blumenauer aber heißen Meier, Müller oder Schmidt, sind deutlich blasser als ihre Landsleute und haben blondes Haar. Selbst das Rathaus erinnert noch daran, dass Blumenau 1850 von deutschen Auswanderern gegründet wurde. Genauer: Von dem aus Sachsen-Anhalt stammenden Apotheker Hermann Blumenau, nach dem die deutsche Kolonie schließlich benannt wurde. In den meisten Fällen waren es die Urgroßeltern der heutigen Einwohner, die während der Hungersnöte im 18. und 19. Jahrhundert, während der Weimarer Republik oder im Zuge des Zweiten Weltkriegs nach Brasilien auswanderten.

Foto: dpa

Blumenau ist in den vergangenen Jahrzehnten allerdings zu einer mittelgroßen Stadt von fast 250 000 Einwohnern angewachsen. Brasilianer aus anderen Regionen sind zugezogen. Auch viele italienische und polnische Auswanderer kamen in die Stadt. Die deutschstämmigen Blumenauer werden immer weniger. „Sprach hier früher rund die Hälfte aller Einwohner noch deutsch, sind es heute höchstens noch 20 Prozent“, sagt Kathleens Zwickers Vater Renato in einem etwas stockendem Altplattdeutsch. Wie viele andere deutschstämmige Brasilianer in Blumenau versuchen auch er und seine Frau Suely, die Traditionen, die Kultur und die Sprache ihrer Vorfahren am Leben zu halten.

Foto: dpa

„Wir sprechen zu Hause fast nur deutsch“, bestätigt Hellory, Kathleens jüngere Schwester. „Für uns ist es ein Traum, irgendwann einmal für eine Zeit in Deutschland zu leben“, meint Hellory, die trotz ihrer erst 18 Jahre bereits Vorsitzende der rund 40 deutschen Schützenvereine in Blumenau ist. Kathleen selbst war bis vor kurzem noch amtierende Schönheitskönigin Blumenaus. Ihre repräsentativen Aufgaben auf deutschen Volksfesten und Veranstaltungen der Schützen- und Tanzvereine nehmen beide selbstverständlich im Dirndl wahr.