Ein paar Kleckser Land im Nordatlantik - Die Färöer Inseln
Tórshavn/Berlin (dpa/tmn) - Wale, Fische, Mythen und das Wetter - wer auf die Färöer Inseln reist, kommt um diese Themen nicht herum. Außer, er genießt die wilde Abgeschiedenheit der Inseln auf einer Wanderung - aber Vorsicht: Bloß nicht das „huldufólk“ stören!
Tórshavn/Berlin (dpa/tmn) - Wale, Fische, Mythen und das Wetter - wer auf die Färöer Inseln reist, kommt um diese Themen nicht herum. Außer, er genießt die wilde Abgeschiedenheit der Inseln auf einer Wanderung - aber Vorsicht: Bloß nicht das „huldufólk“ stören!
John Vaagseid spricht über den Walfang wie Landwirte über die Schweinemast. „Dieses Jahr waren die Wale mager“, sagt er. „Das sagt uns, dass wir ein paar mehr umbringen müssen, damit sie wieder mehr Nahrung haben.“ Das Gespräch kommt auf den Färöer Inseln schnell auf das Thema Walfang. Da macht auch John Vaagseid keine Ausnahme.
Der Busfahrer kutschiert Touristen und Anwohner von Insel zu Insel. „Man weiß, dass die Wale kommen, weil dann alle anfangen zu rasen“, erzählt Vaagseid. Denn dann müssen möglichst viele Bewohner rechtzeitig ihre Boote lostäuen, um die Grindwale an Land zu treiben und am Strand zu töten.
Das Restaurant „Koks“ befindet sich im Vier-Sterne Hotel „Føroyar“ in der Hauptstadt Tórshavn. Die mit etwa 20 000 Einwohnern eine der kleinsten Hauptstädte der Welt liegt am südlichen Ende von Streymoy. Im „Koks“ serviert Leif Sørensen den Fang aus dem Atlantik. „Wir essen Walfleisch auf die gleiche Weise wie vor 100 Jahren“, sagt der Koch. Damals waren die Bewohner der Färöer Inseln auf Walfang angewiesen: „Hätten wir keine Wale gefangen, hätten wir hier auf den Inseln nicht überlebt.“
Früher kamen nur zwei Fähren mit Getreide pro Woche aus dem Mutterland Dänemark. Die 18 Inseln im Nordatlantik zwischen Schottland und Island gehören politisch noch immer zu Dänemark. Seit 1948 sind sie eine autonome Region innerhalb des dänischen Königreichs - mit einem eigenen Parlament und Ministerpräsidenten.
Karl Mikkelsen, heute 69, hat seine Karriere als Fischer schon lange an den Nagel gehängt. Mikkelsen lebt in Gásadalur auf Vágar. Schroffe Klippen begrenzen Gásadalur im Westen zum Meer, im Norden, Osten und Süden umzingeln steile Berge die kleine Ortschaft - nicht selten verschwinden deren Kämme in dichten Wolkenschwaden: Das macht den Ort atemberaubend schön und atemberaubend einsam zugleich. Genau diese Abgeschiedenheit war es, der Mikkelsen seinen zweiten Beruf verdankte. Er wurde Postmann von Gásadalur, ein Knochenjob.
Dreimal pro Woche kraxelte er die alte Postroute entlang über den südlichen Berg Rógvukollur auf 464 Meter Höhe, bis ins nächste Dorf, um dort die Post und kleinere Einkäufe für die Bewohner von Gásadalur zu besorgen. Manchmal war es so stürmisch, dass sich der Postmann flach hinlegen musste, wenn er den Pass erreichte. Nur kriechend schaffte er es dann weiter. Bis 2006 der Tunnel durch eben diesen fertiggestellt wurde. Seitdem hat Gásadalur eine Straßenanbindung. Mikkelsens ging in Rente.
Auf Wanderer übt die alte Postroute noch immer eine große Anziehung aus. Dabei sollten sie nicht unbedacht durch die färöische Natur wandern. Denn hier wimmelt es von mythischen Wesen. Randi Meitil weiß, wie sie dem „huldufólk“ aus dem Weg geht. Die Frau mit den feuerroten Locken fährt oft aus Tórshavn heraus, um zu wandern - manchmal allein, manchmal hat sie Touristen dabei. Das „huldufólk“, die „Versteckten“, ist den Menschen sehr ähnlich, erzählt sie.
Die Lehrerin deutet auf einen Stein, der vom „huldofólk“ bewohnt wird. Die Färinger würden hier einen Becher Milch stehen lassen, um das Wohlwollen der Versteckten zu erlangen. Die Mythen sind in der färöischen Kultur noch immer sehr lebendig. Als vor wenigen Jahren eine Straße nahe der Kathedrale inmitten der Hauptstadt asphaltiert wurde, mussten die Bauarbeiten um einen großen Brocken herumführen, erzählt Meitil. Denn der Stein, so wusste jeder Färinger, gehörte dem „huldufólk“. Ihn wegzuräumen, um die Straße zu begradigen: undenkbar.
Vigar Hvidbro hat etwas ganz anderes im Kopf: Das nächste Fußballspiel steht an. Hvidbro ist Manager vom nationalen Fußballverband, dem Fótbóltssamband Føroya (FSF). Die Nationalauswahl war schon häufiger Gegner der deutschen Kicker, zuletzt im September 2013. Fußball spielt für den Nationalstolz der Insulaner eine wichtige Rolle. Die Inseln sind Mitglied von FIFA und UEFA. Über das 1:0 gegen Österreich vor mehr als zwei Jahrzehnten wird bis heute gesprochen. Ein Problem ist der Nachwuchsmangel. „Viele gehen zum Studieren weg und kommen nicht zurück“, sagt Hvidbro.
Simun av Skardi dagegen ist wiedergekommen: „Wir haben zwölf Jahre in Dänemark gelebt, aber wir hatten immer Heimweh.“ Also kehrte der Deutschlehrer mit seiner Frau zurück nach Sandoy, im Süden der Inselgruppe. Die Landschaft dort sei sanfter als die der nördlichen Inseln, sagt av Skardi. Auf diesen Hügeln stehen viele der typisch färöischen Häuser mit Dächern aus Gras. Häufig hängen an einer Leine vor dem Haus Fische zum Trocknen, daneben Schafsfleisch, Walstücke.
Vor kurzem haben die Bewohner von Sandoy rund 130 Wale an Land getrieben. „In zwölf Minuten waren sie alle tot“, sagt der pensionierte Lehrer. Das Bild dürfte ein ähnliches gewesen sein, wie dem Gemälde bei ihm im Arbeitszimmer: gestrandete Wale in blutgetränkter See. Den meisten Touristen wird sich dieses Bild wohl nicht bieten - zum Glück. Ihnen bleiben vor allem das satte Grün, das wilde Meer und die Wolkenumspielten Gipfel in Erinnerung.