Pfalz: Torte und Praline, aber bitte mit Feige!
Neustadt an der Weinstraße lockt im Sommer mit den traditionellen Feigenwochen. Hier gibt es Köstlichkeiten rund um die Frucht.
Düsseldorf. Mitten in der Altstadt von Neustadt an der Weinstraße findet der Spaziergänger einen „Toskanischen Garten“. Der romantische Hinterhof einer Gaststätte trägt seinen Namen zurecht. Umgeben von Bougainvillea und Oleander ist man dem Süden ganz nah. Auch ein Feigenbaum fühlt sich hier wohl. Seine Früchte gelten manch einem als die wahren Paradiesfrüchte.
Die Pfalz ist so etwas wie ein Garten Eden. In der klimatisch begünstigten Umgebung der Weinstraße wächst so ziemlich alles, was man mit dem Adjektiv mediterran besetzt: Bananenstauden, Zitronenbäume, Kiwi, Melone und Lorbeer sowie rund 50 000 Feigenbäume, so viele wie nirgends sonst in Deutschland. Sie wachsen in Privatgärten und am Straßenrand. Erwerbsmäßiger Anbau wird nicht betrieben und auch kein Handel im großen Stil.
Oft werden die Früchte getauscht. Hauptabnehmer sind die Köche. Einer von ihnen ist Gunter Schmidt aus Speyer. „Für mich ist die Feige der Inbegriff des Sommers“, erklärt der Chef des Hotel-Restaurants „Backmulde“. Dabei trägt der Feigenbaum oft sogar zweimal im Jahr Früchte, im Juli oder August und dann wieder im Oktober. In seinem eigenen Weinberg vor den Toren der Stadt gedeihen die Feigen neben Aprikosen und Pfirsichen.
„Die Feige ist ein Produkt, das unsere Region auszeichnet“, ist der Gastronom überzeugt, nur wisse davon kaum jemand. Schmidt schätzt die Feige wegen ihrer Vielseitigkeit. „Trotzdem ist sie in der Küche etwas für Menschen mit Entdeckerlust.“ Ihr Geschmack sei eher diskret.
In der Pfalz sind kulinarische Entdecker keine Seltenheit, das zeigen die sogenannten Feigenwochen im Sommer, wenn rund ein Dutzend Restaurants und Cafés Feigengerichte anbieten. Süßsauer zubereitet findet man die Feige im Pfälzer Suppenfleisch, in glacierter Form begleitet sie die Entenbrust. Zu einer Tarte kann man sie ebenso gut verarbeiten wie zu Speiseeis.
Genauso diskret wie der Geschmack der Frucht ist ihre Blüte, die nicht mit den Hinguckerqualitäten der berühmten Pfälzer Mandelbäume konkurrieren kann. Dabei sind Feigenbäume überall zu finden, in der Deidesheimer Feigenbaum-Allee, die eigentlich Deichelgasse heißt, an der Kirchmauer in Sankt Martin, an der alten Stadtmauer in Freinsheim, aber auch in den Privatgärten und am Rande der Weinberge.
„Die Bäume fühlen sich in der Nähe unserer Weinstöcke sehr wohl, weil sie ähnliche Ansprüche an Boden und Klima haben“, weiß Feigenexperte Gunter Schmidt. Auch die Café-Terrasse der Villa Ludwigshöhe, der Sommerresidenz des bayerischen Königs Ludwig I., von der aus man das Panorama der Weinberge bis in die Rheinebene genießt, wird von den Bäumen flankiert, die viele immer noch als exotisch bezeichnen. Auch wenn sie eher unscheinbar sind, die oft buschähnlichen und zur Zierde angepflanzten Feigenbäume gehören zum Bild der Pfalz.
Ausgrabungen haben ergeben, dass wohl schon die Römer sie eingeführt haben. Man hat in einer Latrine aus jener Zeit Relikte gefunden, die sich als Feigenkerne erwiesen haben. Auch der Pfälzer Wein und die Kastanien sind den Römern zu verdanken. Heutzutage ist es für die Pfälzer Küchenchefs nicht immer einfach, ihren Feigenbedarf zu decken.
Dann fahren sie wie Christoph Vogel, Chef der Konditorei Sixt in Neustadt, durch ihr heimatliches Paradies — immer auf der Suche nach Feigenbäumen, die in der Pfalz nicht gespritzt werden. „Wir suchen uns unsere Zulieferer selbst aus.“ Weil das aber zeitaufwendig ist, hat sich der Tourismusverband Pfalz-Marketing eine Feigenbörse einfallen lassen, die in den Erntewochen im Internet betrieben wird.
Hier treffen sich Anbieter und Verbraucher. Praktisch, dass die edlen Früchte nicht gleichzeitig reifen, sondern nacheinander. So kann über Wochen geerntet werden.
Christoph Vogel, der immer etwas Neues probiert, wie die mit Feigencrème gefüllte Trüffelpraline, arbeitet mit den Früchten, „um zu zeigen, was unsere Region so alles zu bieten hat.“ Auch die mit Schoko-Mousse gefüllte Feigentorte, die im Sommer im Café Sixt auf der Karte steht, ist ein weiterer Grund, die Geschichte mit dem Paradies ernst zu nehmen.
„Ich bin immer froh, wenn es Feigen gibt“, sagt der Konditormeister und spielt damit auf 2010 an, das Jahr, in dem die Bäume unter dem harten und langen Winter zu leiden hatten. „Aber sie regenerieren sich zum Glück schnell wieder.“ Erst vor knapp 20 Jahren haben die Pfälzer ihre Feigen als Qualitätsprodukt entdeckt.
Gunter Schmidt ist der Ansicht, dass die vielen Reisen in den Süden irgendwann das Bewusstsein für die eigenen Lebensmittel geweckt hätten. Die Früchte, die von den Römern als Glücksbringer angesehen wurden, haben zumindest den Pfälzer Köchen und ihren Gästen Glück gebracht.