Portugal: Küste, Kork und Klapperstorch

Zwischen Faro und Cabo de Sao Vincente locken feine Sandstrände und kleine Buchten.

Lisabon. Bei der nächsten Welle braucht es etwas Mut. Ein großer Schritt und man landet in dem schaukelnden Gefährt. "Etwas windig heute", entschuldigt sich José bei den zugestiegenen Gästen. Sein Portugiesisch klingt weich, mit vielen Kehllauten, beinahe ein bisschen wie Russisch.

Geschickt steuert er das Boot zwischen Kalk- und Sandsteinsäulen hindurch, die sich aus dem glasklaren, blau schimmernden Wasser erheben. Ständig wechseln die Formationen. Starke Winde und ständige Unterspülungen haben über tausende von Jahren das instabile Material entfernt. Zurück blieben skurrile Gebilde. Dort eine Höhle, eine Steinbrücke oder ein Fantasietier, das seinen sandfarbenen Rücken der Sonne entgegenstreckt.

Mittlerweile weltweit bekannt ist der Küstenstreifen zwischen Faro, der Hauptstadt der Algarve, und dem im Westen gelegenen Cabo de Sao Vincente. Entlang der 20 bis 50 Meter hohen Steilküste haben sich feinsandige Strände und kleine Buchten gebildet, die in der Hochsaison Hauptanziehungspunkt für Touristen und Einheimische sind.

Doch Portugal bietet auch noch viel Ursprünglichkeit. In Olhão genießen Besucher einen "uma bica" im Freien. Nur ein paar Cent kostet das starke Kaffee-Gebräu, das den Kreislauf wieder in Schwung bringt. Es ist später Nachmittag. Die Fischer kehren vom Fang heim. Maria entgeht nichts. Die Besitzerin des Lokals kennt sie alle.

Da ein freundliches Winken, mit dem anderen eine heftige Diskussion. Die Männer, die von ihren Booten kommen, sind abgearbeitet. Vom Wetter zerfurchte Gesichter, rissige Hände von der Arbeit mit den Netzen im kalten Wasser. In der kleinen Taverne am Hafen ist was los. Hier trinkt man sich seinen Frust von der Seele, feiert einen erfolgreichen Fang oder einfach nur das Ende eines langen Arbeitstags.

Die Algarve ist die südlichste Provinz Portugals. Ihr Namen ist arabischen Ursprungs und bedeutet soviel wie "der Westen", obwohl dieser Landesteil im Südwesten der Iberischen Halbinsel liegt. Auf einer Fläche von rund 500000Quadratkilometern leben etwa 400000Einwohner. Sie nennen sich "Algarvios" und sind im Vergleich zu ihren spanischen Nachbarn etwas gelassener und sehr liebenswürdige Gastgeber. Ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens ist die Familie.

Die ruhelose Vergangenheit machte es dem Land nicht gerade leicht, politisch und wirtschaftlich Fuß zu fassen. Mal war es von den Mauren besetzt, dann befand es sich wieder in den Händen von Christen. In Silves, nördlich von Lagoa, thront auf einer Bergkuppe noch eine alte Burganlage der Mauren aus dem achten Jahrhundert. Zur damaligen Zeit hatte die Stadt dreimal so viele Bewohner wie heute, war größer und reicher als Lissabon und galt als Hauptstadt der Algarve.

Eine der herausragenden Persönlichkeiten war Heinrich der Seefahrer, der ab 1415 Sagres zum Ausgangspunkt großer Entdeckungen machte. Heute noch kann die wuchtige Burganlage besichtigt werden, die unter anderem einst eine Art Universität beherbergte. Hier kamen Seefahrer aus aller Welt zusammen, um ihre Erfahrungen und vor allem ihr Kartenmaterial auszutauschen.

Im Jahr 1755 verwüstete ein verheerendes Erdbeben Portugal. Es kostete vielen Menschen das Leben und zahlreiche historische Gebäude wurden zerstört, ein nicht wieder gut zu machender Schaden. Nachdem Portugal 1986 der EU beitrat, griff man auch der Algarve wirtschaftlich unter die Arme. Heute durchzieht ein gut ausgebautes Straßennetz das Land, um die wachsenden Touristenströme in die Feriendomizile zu leiten.

Das Gässchen wird immer enger. Die Hoffnung, dass es sich um eine Einbahnstraße handelt, wird leider nicht bestätigt. Doch irgendwo findet man eine Ausweichstelle und lässt den anderen vorbei, alles ohne Aggression, ohne Hupen und Händefuchteln. Vorbei an Orangen- und Zitronenbäumen führt die Straße hinauf auf die Sierra de Monchique, die mit nur rund 900 Metern die höchste Erhebung der Algarve ist.

Etwas südlich davon kann man in dem 32 Grad warmen Schwefelwasser, das aus dem Berginnern quillt, verschiedene Leiden heilen, um dessen wohltuende Wirkung bereits die Römer wussten. Die Vegetation wechselt. Hin und wieder ein Garten mit Olivenbäumen, dazwischen knorrige Korkeichen, die das Grundmaterial für einen der wichtigsten Wirtschaftszweige Portugals liefern.

Die Rinde dieser immergrünen Eichenart ist ein universelles Naturprodukt. Es müssen erstmal 20 Jahre vergehen bevor ein Teil des Baums erstmalig geschält wird. Frühestens nach neun Jahren darf wieder geerntet werden, so sagt es das Gesetz. Die "tiradores" (Schäler) schlitzen mit der Axt die Stücke auf, die abgetragen werden. Eine Knochenarbeit, zumal die Korkernte nur im Hochsommer möglich ist, weil sich um diese Zeit die Rinde am leichtesten schälen lässt.

Die mit Stickstoff gefüllten Zellen verleihen dem Kork hervorragende Eigenschaften als Isoliermaterial. Er brennt nicht und leitet keine Elektrizität. Wandert ein Korken in den Hals einer Flasche, ist dies die höchste Auszeichnung für ihn.

Nur wenn das Volumen seiner Poren geeignet ist, den Flaschenhals wie einen Saugnapf abzudichten, kann ein Wein unbedenklich gelagert werden. Leider verdrängen billige Plastikverschlüsse und Kronenkorken immer mehr den echten Rindenkorken. Das Museu da Cortica in der Fábrica do Inglês in Silves bietet Einblick in die Gewinnung und Verarbeitung dieses für Portugal typischen Naturstoffs.

Zu den bekannten und herausragenden Baudenkmälern in der Kulturhauptstadt Faro zählen der Bischofspalast Paço Episcopal, sowie zahlreiche Kirchen und historische Gebäude. Wie schön, sich anschließend im Stadtpark Alameda Joao de Deus auszuruhen.

Durchhaltevermögen ist hier angesagt. Man kann sich aber auch gemütlich durch die Altstadtgässchen treiben lassen, dem aufgeregten Geklapper der zahlreichen Störche lauschen, oder die Mosaikarbeiten bestaunen, mit den typisch portugiesischen Kacheln, die so manche marode Hausfassade zieren.

Völlig gegensätzlich dazu ist der Yachthafen mit den Luxusbooten. Nur vom Flugzeug aus bekommt man einen Überblick über die einzigartige Hafflandschaft des Ria Formosa mit unzähligen Inselchen und Stränden. Die Strände sind es ja auch, wonach das Herz der meisten Touristen drängt.

Es gibt sie zur Genüge und für jeden Geschmack. Der Umweg über die Schotterstraße durch den Naturpark hat sich gelohnt. Die Brandung schickt haushohe Wellen die Felsküste entlang. Sogar die vorwitzig am Rand stehenden Fischer suchen Zuflucht.

Immer wieder scheint die Sonne zwischen den vom Wind zerfetzten Wolken durch. Eine halbe Stunde später in einer windgeschützten Bucht: Der Himmel ist tiefblau, das Wasser eben wie eine Tischplatte. Hier können die Fischer unbeschwert ihrer Arbeit nachgehen.