Spreewald: Von Gurken und Baumkuchen

Deutschlands östlichste Großstadt ist der ideale Standort für Touren in den schönen Spreewald.

Cottbus. „Um Himmels willen! Was soll ich denn in Cottbus?“ fragte der Kunde, der sich im Reisebüro nach einer Städtereise erkundigte, die noch nicht jeder gemacht hat. Die Angestellte hatte — „mal was ganz anderes“ — Cottbus ins Gespräch gebracht: „Ein großer Reiseveranstalter bezeichnet Deutschlands östlichste Großstadt als Geheimtipp im Osten.“

Gleich am Bahnhof, nach rund 90 Minuten Fahrt von Berlin, macht Cottbus klar, dass man sich als Einfallstor für den Spreewald versteht. Ein Stand bietet Gurken und andere Spreewald-Erzeugnisse an. Der erste Kaffee im „Coffeelatte“ am Altmarkt, Treffpunkt von Studenten und „Energie Cottbus“-Kickern, schärft den Blick für die barocken Bürgerhäuser am Markt.

Zu einem Probehäppchen Baumkuchen gibt es die Info, dass der Baumkuchen anno 1819 von einer Maria Grosch in Cottbus erfunden wurde und dass man in der Baumkuchen-Manufaktur in der Mühlenstraße den Kuchenmeistern über die Profischulter blicken darf.

Die Löwen-Apotheke am Altmarkt hat ein Schild im Fenster, dass der Oleander die „Giftpflanze des Monats“ sei. Davor wartet ein Mann, der wissen muss, wie man den neben „Fischers Fritze“ populärsten Zungenbrecher heil über die Lippen bringt. Der Mann in der historischen Postkutscher-Uniform verhaspelt sich nicht: „Der Cottbuser Postkutscher putzt den Cottbuser Postkutschkasten.“ Der Trick bestehe darin, entspannt drauflos zu sprechen — sagt er jedenfalls.

Vom Spremberger Turm, Wahrzeichen der Stadt, bleibt der Blick zwangsläufig an dem ehemaligen FDJ-Jugendklub in der Mauerstraße hängen. Da floriert jetzt „das deutsche Schnitzelparadies“. 50 verschiedene Schnitzel sind bis vier Uhr morgens im Angebot. Das nachgefragteste Schnitzel heißt „Erichs Liebling“.

Cottbus ist die deutsche Großstadt, die morgens als Erste die Sonne begrüßen kann. Die einzige zweisprachige Großstadt Deutschlands heißt auf sorbisch „Chosebuz“. In und um Cottbus leben noch 60 000 Sorben, Angehörige eines vor vielen Jahrhunderten eingewanderten Slawenvolks. Nur wenige Kilometer sind es von Cottbus bis ins Herz des Spreewalds. Wie wäre es mit einem Bad im Original-Gurkenfass? Oder mit einer Kuschelfahrt im Kahn der Sinne? Bei kühlen Temperaturen sind gepolsterte Liegesäcke und Glühwein inklusive.

Fährleute staken mit langen Holzstangen 1000 Kähne lautlos auf den 520 Kilometer langen Spreekanälen („Fließe“). Die Geschwindigkeitsbeschränkung liegt bei sechs km/h. Der Fährmann berichtet von den Wetterregeln des Spreewalds: „Wenn die Rosskastanie klebrige Tränen weint, gibt’s Regen.“ Und: „Ruft der Kuckuck ausdauernd, bleibt das Wetter schön.“ Na bitte.

In Lübbenau steht ein Prachtstück von Schloss. Es war heruntergekommen und sollte abgerissen werden. Aber dann kam Rochus Graf zu Lynar zurück in das Schloss seiner Väter und krempelte die Ärmel hoch. Heute befindet sich in dem Schloss, in dem 1944 das Attentat vom 20. Juli auf Hitler geplant wurde, ein Hotel.

In Göritz können auch Besucher mal den Gurkenflieger besteigen. Was wie die Flügel eines Flugzeugs aussieht, dient als Erntehilfe. Die Helfer liegen auf dem Bauch und greifen unter sich nach den Gurken. So müssen sie sich nicht für jede Gurke bücken.

Und dann wäre da noch Calau, wo „der Witz ernst genommen“ wird. Jeder kann neue Calauer in einen Sonderbriefkasten einwerfen. Ein Witzrundweg bietet an jeder Station Calauer. Der „Calauer des Monats“: Der Osterhase schleppt ein Straußenei in den Hühnerstall und sagt: „Damit ihr mal seht, was anderswo geleistet wird.“

Am Südrand von Cottbus wartet ein optischer Genuss. Schloss Branitz mit dem Parkkunstwerk erstrahlt nach der Restaurierung wieder im alten Glanz wie zu Zeiten von Hermann Fürst von Pückler-Muskau. Der galt im 19. Jahrhundert als einer der exzentrischsten Adligen, als Enfant terrible und Frauenheld. Über Pücklers Geliebte, eine abessinische Sklavin, zerriss sich die Berliner feine Gesellschaft das Maul. Und einfach „shocking“ war es, als Pückler mit einer von Hirschen gezogenen Kutsche durch Berlin bretterte. Seine Gemächer in Branitz sind weitgehend wiederhergestellt.

Einen würdigen Abschluss findet die Cottbus-Visite in der „Kinobar“ im „Weltspiegel“, Deutschlands ältestem Jugendstil-Kino. Kann schon sein, dass einem da der deutsche Starregisseur Wim Wenders über den Weg läuft, der ein Fan des 100-jährigen Kino-Baus ist.

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