Ausbildung: Eine Frau geht durchs Feuer
Olivia Wedemann bricht eine Männerdomäne. Die 27-jährige Pharmareferentin wird bei der Berufsfeuerwehr zur Brandmeisterin ausgebildet.
Krefeld. Olivia Wedemann ist es ein bisschen peinlich, dieses ganze Aufheben, das um ihre Person gemacht wird. "Ich erledige den gleichen Job wie meine Kollegen. Dass ich eine Frau bin, ist kein Thema", betont die 27-Jährige ausdrücklich. Nichts liegt ihr ferner denn als "Super-Woman" gebrandmarkt zu werden.
Trotz aller Bescheidenheit ist sie etwas Besonderes: Sie ist die erste und einzige Frau bei der Krefelder Berufsfeuerwehr. Zusammen mit 41 weiteren Anwärtern aus Krefeld, Mönchengladbach und Viersen durchläuft sie seit fast vier Monaten die anderthalbjährige Grund-Ausbildungszeit zur Brandmeisterin an der Feuerwehr-Akademie.
Ob Feuerwehrfrau ihr Mädchen-Traum war? "Nein, gar nicht. Die Idee kam mir erst vor einem Jahr." Die Neu-Bockumerin hat Chemie studiert, dann in der pharmazeutischen Forschung, später als Pharmareferentin im Außendienst gearbeitet. "Es ist aber ganz schön langweilig, den ganzen Tag allein durch die Gegend zu fahren", sagt die gebürtige Nürnbergerin - mit typisch fränkischem Zungenschlag. "Ich wollte etwas Gutes tun, Menschen helfen, abends nach Hause kommen, das Gefühl haben, etwas getan zu haben."
Das wird heute Abend unter Garantie der Fall sein. Nur bei bester Kondition bleibt der Muskelkater aus. Mehr als eine Woche hat sie mit ihrem Ausbildungslehrgang das Leitersteigen geübt. Heute muss die Gruppe zeigen, was sie kann. Einfach Sprossen rauf und runterklettern kann jeder? Von wegen: Im Kreuz- und mal im Passgang, von Fenster zu Fenster gehangelt, werden verschiedene Rettungssituationen geübt.
Noch sind die feuerwehrtechnischen Trainings ohne künstlichen Rauch, der die Sicht behindert, die Luft zum Atmen raubt, und vor allem ohne simulierte Feuer-Hitze, die die Einsatzkräfte in ihrer blauen Schutz-Kleidung realitätsnah schwitzen lässt. Die dicke Jacke hat sich Wedemann eng um die schmale Taille gezogen. Die langen braunen Haare hat sie zu einem strengen Zopf geflochten. Die mit Protektoren gut bestückte Arbeitshose versteckt jede weibliche Körperform.
Trägt Wedemann dazu den Helm, ist die zierliche Person höchstens noch durch ihre kleinere Körpergröße unter den anderen auszumachen. "Aufwärts steigt", schallt der Einsatzbefehl über den Hof der Feuerwache. An den Ton muss sich die junge Frau gewöhnen. Klare Ansagen sind wichtig für das reibungslose Zusammenspiel am Einsatzort.
Ausgeprägte Kameradschaft beweist die Gruppe schon jetzt: Während abwechselnd Hagel und dicke Regentropfen vom grauen Winterhimmel fallen, stehen die jungen Feuerwehrleute eng zusammen - bis der letzte sein Können in Hasenpfötchen-Stellung an Haken-, Schieb- und Steckleiter bewiesen hat. "Das ist gut für die Abwehr", sagt Wedemann augenzwinkernd.
Körperliche Fitness, Koordination und Gleichgewicht sind Voraussetzungen für den Job. Doch viele scheitern schon an der Theorie: "Wir fragen Kenntnisse der Physik, Mathematik und logisches Denken ab", berichtet Karl-Heinz Bauhaus, Ausbildungsleiter der Berufs- und Freiwilligen Feuerwehr Krefeld. Mit Wedemann haben 2007 nur neun von 250 Bewerbern die Aufnahmeprüfung geschafft. Zu wenig, um sich keine Nachwuchssorgen zu machen. "Bis 2011 müssen wir 50 neue Leute ausbilden", sagt Bauhaus. Denn die Wochenarbeitszeit für Berufsfeuerwehrleute ist nach EU-Richtlinie auf 48 Stunden begrenzt worden. Der Schnitt liegt bei 54.
Ausbildung Voraussetzung sind mindestens Hauptschulabschluss und eine Ausbildung in einem für die Feuerwehr brauchbaren Handwerk, z.B. Rettungssanitäter, Schlosser oder Dachdecker; Bewerber dürfen nicht älter als 28 1/2 Jahre sein und müssen einen Pkw-Führerschein besitzen.
Akademie Krefeld, Mönchengladbach, die Kreise Wesel und Viersen haben eine gemeinsame Feuerwehr-Akademie.
Personal Die Berufsfeuerwehr Krefeld hat rund 200 Kollegen, die Freiwillige Feuerwehr 220, die Jugendfeuerwehr 52 Mitglieder.
Neubau Per Ausschreibungsverfahren will die Stadt jetzt ein Grundstück finden, auf dem die neue Hauptfeuerwache Krefeld gebaut werden kann. Ein zweistelliger Millionenbetrag steht dafür bereit. Offen ist, ob die Stadt die Wache selbst baut. "Dann wird es auch endlich angemessene Voraussetzungen für die Aufnahme von Frauen bei der Berufsfeuerwehr geben. Für unsere Feuerwehrfrau haben wir bis dahin einen Container aufgestellt, da uns die Räumlichkeiten für getrennte Umkleiden fehlen", sagt Karl-Heinz Bauhaus, Ausbildungsleiter der Feuerwehr.