Briefmarken-Tauschtag: Leidenschaft für Generationen

Die Sammler ungewöhnlicher Briefmarken setzen auch auf die zwischenmenschliche Komponente.

Krefeld. Hanns Siegfried Hermanns ist tief bewegt. Dem 76-Jährigen kullert sogar eine Träne über die rechte Wange. Beim Gedanken an frühe Sammelerfahrungen mit seiner damals kleinen Enkelin übermannen ihn die Gefühle. „Das Briefmarkensammeln ist eine Domäne alter Männer“, sagt Hermanns, während er seinen Blick durch den Bay-Treff schweifen lässt. Rund 100 zumeist betagte Herren haben sich gestern zur Briefmarken-Werbe-Show versammelt, um zu fachsimpeln und zu tauschen. Auf den Tischen liegen wahre Briefmarkenberge. Aber auch die Aussteller mit historischen Marken und Umschlägen finden regen Anklang. Besonders die Holographie-Exemplare, die erst Mitte der 70er-Jahre erschienen sind, stehen im Fokus.

Rolf Bolten, Ausstellungsleiter und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Linker Niederrhein, hat ebenfalls die Prunkstücke seiner Sammlung mitgebracht, die sich vornehmlich der Kaiserzeit in Österreich widmet. „Dieser Brief wurde von der Kaiserin Österreichs persönlich unterschrieben“, schwärmt der Sammler. „Wichtig ist in diesen Jahren der Stempel, das Porto wurde damals nämlich vom Empfänger bezahlt.“ Die meisten Sammler konzentrieren sich auf ein Themengebiet, so Bolten. In Österreich stelle man die schönsten und aufwendigsten Marken her, findet er. Bolten ist Witwer, fast sein ganzes Geld steckt er in Briefmarken. Den Gesamtwert seiner Sammlung möchte er nur ungern beziffern. „Zwei Einfamilienhäuser sind es aber gewiss.“ Doch der rüstige Rentner sitzt nicht nur im stillen Kämmerlein. Mehrere Expeditionen hat er hinter sich gebracht, war in Tibet und hat den Himalaya bestiegen. „Das ist mein Ausgleich“, sagt er.

Hermanns war früher Weber, orientiert sich daher an diesem Thema. Sechs Monate waren seine Stücke im Haus der Seidenkultur zu sehen, zum Teil mit gewebten Marken. Generell, so sagt er, sind Sammler an Marken interessiert, die entweder eine kleine Fehlprägung oder eine andere Anomalie haben. „Die Gscheidle-Marke ist toll“, sagt er.

„Die nichtamtliche Briefmarke wurde anlässlich der Olympischen Spiele 1980 in Moskau gedruckt, aber wegen des westlichen Boykotts wieder eingestampft.“ Die Frau des Postministers Gscheidle nutzte diese Marken versehentlich zur Frankatur. Doch es sind eben nicht nur Begriffe wie Seltenheitswert oder Stempel, die die Sammler in Verzückung versetzen. Vor allem die Verbindung mehrerer Generationen, gemeinsam verbrachte Zeit und emotionale Bindung lassen sie darauf hoffen, dass die Philatelie nicht ausstirbt. „Meine Enkelin sammelt auch heute noch“, sagt Hermanns — nun mit einem Lächeln auf dem Gesicht.