Der Pixel-Wald am Westwall

Um Graffitis zu verhindern, wird die Fassade eines Altenheims selbst zum Kunstwerk.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Die Fassade des Altenheim Westwall wird gerade aufwendig begrünt. Zwar nicht mit Pflanzen, wie es sich vielleicht mancher gewünscht hätte, aber immerhin mit Farbe. Der Vorteil wird erst im Winter richtig deutlich: Was keine Photosynthese betreiben muss, bleibt einfach länger grün. Wenn in den nächsten Tagen die Gerüste abgebaut sind, stehen für Bewohner und Passanten deutlich sichtbar vier Linden auf einer grünen Wiese.

„Der neue Anstrich war nötig“, sagt Einrichtungsleiter Stephan Kluthausen, „da ist zum letzten Mal 1989 etwas dran gemacht worden.“ Aber da frisch getünchte Wände auch immer selbst ernannte Graffity-Künstler einladen, suchte Kluthausen nach einer anderen Lösung. Zunächst bot er die Außenwände einer Jugendeinrichtung an. Sein Angebot: „Ihr besprüht, nach Absprache mit uns, das Altenheim — wir zahlen.“ Aber der Jugendclub brach den Kontakt ab.

Dann kam Kluthausen über ein Fassaden-Gestaltungsportal im Internet in Kontakt mit einem Wandgestalter aus Brandenburg an der Havel. Eigentlich sollte nur der untere Sockel bis zu einer Höhe von drei Metern bearbeitet werden, aber dann entwarf der Künstler kurzerhand in Eigeninitiative einen Entwurf für die gesamte Fassade — und traf damit genau den Geschmack seiner Krefelder Auftraggeber.

Der Mann, der beim Pressetermin vom Gerüst herunter klettert, stellt sich als Tobias Siebert vor. „Ach ne, Silber heiß ick ja jetzt“, sagt er mit brandenburgischem Akzent und lacht. Vor zwei Wochen hat er geheiratet und der Nachname Silber passt ohnehin viel besser zu einem Farbartisten, findet er.

Aufträge hat er schon in ganz Europa angenommen, in Moskau und New York hat man ihm für Kunstaufträge sogar ganze Wände zur freien Verfügung gestellt. Aber die 700 Quadratmeter in Krefeld sind auch nicht zu unterschätzen. „Das ist ein richtig fettes Format“, sagt er und freut sich dabei wie ein kleiner Junge.

Seit der Hochzeit hat er mit einem Angestellten in Krefeld durchgearbeitet, jetzt ist das Wandbild fast fertig. Steht man direkt davor, sieht man allerdings erst einmal den Wald vor lauter Pixeln nicht. Stattdessen viele rechteckige Flächen in verschiedenen Grün- und Brauntönen. „Absicht“, sagt Silber. „Die Idee ist, dass die Landschaft sich in Pixel auflöst, wenn man näher kommt.“ Erst wenn man weiter weggeht, fügt sich alles zu einem Bild zusammen. Und verbindet sich im Auge des Betrachters mit den Bäumen auf dem Mittelstreifen des Westwalls.

Einen Dialog zwischen Bild und Ort herstellen, nennt Silber das. „Mein größter Wunsch ist, dass beide Sachen zusammenpassen“, sagt er. Und Silber selbst ist auch jederzeit zum Dialog bereit. Für Nachbarn und Passanten, die fragend an seine Baustelle treten, klettert er auch schon mal vom Gerüst herunter, um ihnen die Pläne zu zeigen.

Sein Wunsch jedenfalls scheint in Erfüllung zu gehen, Kluthausen und er haben bis jetzt nur positive Resonanz auf das Werk bekommen. „Viele Bewohner sind überrascht, dass man aus der Entfernung alles richtig erkennen kann“, sagt der Einrichtungsleiter, der seine Erwartungen übertroffen sieht. „Es sieht noch viel lebendiger aus als auf dem Entwurf“, sagt er.