Tag der Archive: Die Oscarpreisträgerin aus dem Karteikasten
In drei Krefelder Archiven können Besucher Dokumente und Fotografien einsehen.
Krefeld. Archivdirektor Paul-Günter Schulte steht vor dem alten Karteischränken im Magazin des Stadtarchivs. Tausende Meldekarten von 1900 bis 1945 befinden sich in den Schubladen. Wer, wann und wo in dieser Zeit in Krefeld wohnte, das steht auf den gelben Karteikarten. Aus dieser Menge zieht der Archiv-Direktor eine Karten heraus, um Besuchern am Tag der Archive eine Geschichte zu erzählen: die einer zweifachen Oscar-Gewinnerin.
Unter dem Motto "Heimat und Ferne" öffneten bundesweit am Samstag Archive - drei in Krefeld. Neben dem Stadtarchiv gewährten die Jagenberg AG am Neuer Weg und der Evangelische Gemeindeverband an der Pauluskirche einen Einblick in ihre Schätze. "So ein Tag der offenen Tür soll die Schwellenangst für Besucher nehmen", sagt Schulte. Vor allem für die Stadtverwaltung archivieren sie an der Girmesgath Akten, Pläne und andere Unterlagen. "Für die Rechtssicherheit", erklärt Schulte. Falls es mal zu einem Streitfall kommt. Irgendwann werden diese Bestände aber aussortiert. Sind darunter jedoch wichtige Dokumente, dann sichert Schulte diese für den Bestand für alle Zeiten aus. Diese Quellen dienen dann Wissenschaftlern, Journalisten oder Familienforschern.
So eine Quelle sind die zigtausenden Meldekarten. Auf einer solchen Karteikarte steht der Name Luise Rainer, geboren 12. Januar 1910. Eine Zeit lang, nämlich von 1917 bis 1920, lebte die spätere Schauspielerin, heute 98 Jahre alt, im Haus ihrer Großeltern an der Bismarckstraße. Nach den Stationen Düsseldorf und Wien ging sie nach Hollywood, wo Rainer bei der Filmfirma MGM unter Vertrag genommen wurde. Für ihre Rolle in "Der große Ziegfeld" (1936) erhielt sie den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Im folgenden Jahr bekam sie die Auszeichnung für ihre Hauptrolle in "Die gute Erde" ein zweites Mal verliehen. Keiner deutschen Schauspielerin wurde diese Ehre jemals mehr zuteil.
In einer alten Werkhalle am Neuer Weg hat der Historiker Reinhard Manter das Archiv der Firma Jagenberg geöffnet. Von dem 1878 in Düsseldorf gegründeten Unternehmen präsentiert er ausländische Patente, Maschinen-Modelle und Geschäftsbücher. Zu dem Bestand gehören auch Fotos und Firmenfilme sowie ein Firmentagebuch aus dem Jahr 1945. Der Eingang in das Archiv war ein Glücksfall für den Historiker: "Das sind Momente, in denen man innerlich eine Flasche Sekt öffnet", so Manter. Der damalige Firmeninhaber ließ sich über die Zerstörung, Tote und anderem Ereignisse um das Werk auf dem Laufenden halten.
Eine kurze Einführung in die Familienforschung können Besucher bei Andrea Thausing erhalten. Im Archiv des Evangelischen Gemeindeverbandes an der Inrather Straße lagern Urkunden, Fotos und Kirchenbücher, die über 400 Jahre Geschichte der Protestanten in Krefeld beinhalten. Zahlreiche Menschen suchen dort Hinweise auf ihre Vorfahren. "Die Anfragen kommen von überall her", sagt Thausing. "Auswanderer wollen wissen, wo ihre Vorfahren herstammen. Die weiteste Anfrage, die ich bisher hatten, kam aus Australien."