Jazzkeller: Ein Kamel, ein Hektoliter Bier und viel Musik

Jubiläum: Der Kultklub wird 50 Jahre alt. Jasper van’t Hof und Chet Baker haben hier Musik gemacht. Die Szene gab sich an der Lohstraße die Klinke in die Hand.

Krefeld. Im Winter 1976 staunte Ernst Plegge nicht schlecht. Da stand es. Direkt an der Theke. Das Kamel. "Wenn hier einmal ein Kamel reinkommt", hatte Plegge zuvor einmal verkündet, "dann gebe ich einen Hektoliter Bier aus." Mit "hier" hatte Plegge seine Stammkneipe, den Jazzkeller, gemeint, und er hatte die Rechnung ohne das Organisationstalent Günter Holthoff gemacht. Der gute Geist des Jazzkellers und später auch des Jazzklubs sprach einfach ein paar Zirkusleute in der Fußgängerzone an, die dort mit einem Kamel die Passanten um Spenden für Futter angingen. Für ein paar Mark ließen die sich nicht lumpen - so kam das Kamel in den Keller.

Eine Anekdote unter vielen, die sich in 50 Jahren Jazzkeller zugetragen haben. Derzeit sind Holthoff und andere Mitglieder des Jazzklubs dabei, ein Buch zur Geschichte zusammenzustellen. Am 10. April feiert die Kneipe an der Lohstraße 92 Geburtstag.

Der Jazzkeller in Frankfurt (1952), das Cave in Heidelberg (1954) und der Bielefelder Bunker Ulmenwall (1956) hatten schon ihre Pforten geöffnet, als der Student Hans-Josef Dillmann den Krefelder Jazzkeller 1958 aufmachte. Abgebrannt ist die Kneipe schon einmal, und ihre Wirte waren zahlreich. Doch sie konnten sie schließlich alle am Leben erhalten.

Mit am längsten hat Heinrich Pricken den Keller betrieben (von 1967 bis 1976), vielen noch als der "dicke Heinrich" in Erinnerung. In seine "Amtszeit" fiel der "Besuch" des Kamels. Von den ersten Jahren an gehörte Günter Holthoff zu den Gästen.

"Am Anfang bin ich von Rheinhausen aus mit einem Freund auf einem Tandem in den Keller gefahren", erinnert sich der beharrliche Jazzfan, die Livemusik zog ihn an. Alle Stile des Jazz waren (und sind) im Jazzkeller zu hören, neben Folk, Blues und Rock.

Ihre beste Zeit erlebte die Kneipe in den 60er Jahren. Da stieg die Prominenz der deutschen Szene die Kellertreppe hinab, von Klaus Doldinger bis Albert Mangelsdorff, von Volker Kriegel bis Manfred Schoof. Und die "jungen Wilden" vom Stadttheater um die Ecke - Regisseur Hans Neuenfels etwa oder der spätere James-Bond-Bösewicht Gottfried John - tranken hier ihr Alt.

1963 zog Holthoff endgültig nach Krefeld, bald fungierte er als "Programmdirektor" der Kneipe. "Ganz vorsichtig" habe er modernere Bands in den Jazzkeller geholt, sagt er. Der Jazzkeller wurde zu einer "Hexenküche des Free Jazz". Irene Schweizer, Alexander von Schlippenbach oder Gunter Hampel kamen hierher. Aber auch die Liste der internationalen Stars ist lang: Ben Webster, Johnny Griffin, Chet Baker, Gary Burton, John Scofield, Jasper van’t Hof, Dave Holland und viele mehr spielten an der Lohstraße.

Als der Keller 1979 wieder einmal in eine Krise geriet, gründete sich der Jazzklub Krefeld e.V. (JKK), in dem Holthoff bis heute aktiv ist. "Ein zeitgenössisches Programm war auf kommerzieller Basis nicht mehr durchführbar", erklärt er. Mit Unterstützung durch das Kulturbüro hält der JKK seit nunmehr 29 Jahren die Fahne des anspruchsvollen Jazz in der Seidenstadt hoch, im Jazzkeller und an anderen Orten.

Seit 2006 leiten Bernard Bosil und Jeanette Wolff den Jazzkeller. Sie führen ihre eigenen Konzerte durch, bieten aber etwa auch Kabarettisten ein Forum.

"Der Jazzkeller ist die Keimzelle des Jazz für den ganzen Niederrhein", sagt Holthoff, dem ein Journalist einmal andichtete, er sei "so gut wie mit dem Jazzkeller verheiratet". Burkard Hennen, der später das Moerser Jazzfestival gründete, und auch Ali Haurand, der bis heute das Viersener Jazzfestival leitet, seien Kellergäste gewesen. Und Holthoff kennt auch genau das Überlebensrezept des Kellers: "Im schönsten Konzertsaal der Welt kann man die Musik nicht so intensiv erleben wie im Jazzkeller", sagt er, "denn nur hier kommt man den Musikern so nahe."

Die Geschäftsführer Der Jazzkeller wird 1958 von Hans-Josef Dillmann eröffnet. Bis 1967 gibt es diverse Geschäftsführer. Von 1967 bis 1976 leitet Heinrich Pricken die Kneipe, die er Dillmann 1975 abkauft. Von 1976 bis 1978 liegt das Geschick des Kellers in den Händen einer GmbH. Einer der Teilhaber: Georg Nichzienski, der später den Plattenladen "Die Rille" gründet. Von 1978 bis 1988 führen Anni und Günter Kirchmair den Keller, 1988 übernimmt Bärbel Zimmer-Deussen, Schwester von Anni Kirchmaier. Von 1995 bis 2006 ist Douglas Willcox der Wirt, seit 2006 führen Bernard Bosil und Jeanette Wolff den Keller.