Duisburg: Protest - „Wir haben die Schnauze voll“

Die Demonstranten wollten Antworten – doch in Duisburg herrschte auch am Donnerstag Schweigen.

Duisburg. Schon von weitem sind die Rufe und Pfiffe zu hören: Vor dem Duisburger Rathaus hat sich eine Menschentraube gebildet. "Sauerland muss weg", fordern die Demonstranten in Sprechchören.

Einige halten Plakate und Transparente in die Höhe, auf denen sie ihre Trauer und Wut niedergeschrieben haben. Auf den Stufen des Rathauses steht ein Mann mit Megaphon. "Wir haben die Schnauze voll." Die Menge applaudiert, Bravo-Rufe schallen über den Platz.

Der Mann mit dem Megaphon ist Markus Schröder, Maler und Lackierer aus Duisburg. Er feierte am Samstag auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs, als sich nur wenige hundert Meter das Drama abspielte.

Als der 40-Jährige von der Katastrophe erfährt, ist er tief betroffen, empfindet Scham. Gefühle, die er bei den Verantwortlichen der Tragödie nicht erkennen kann, als diese einen Tag später auf der Pressekonferenz den Fragen der Journalisten ausweichen.

"Das lassen wir nicht mit uns machen", beschließt er und organisiert die Demonstration. Viele Menschen sind seinem Aufruf Donnerstagvormittag gefolgt. Etwa 300 Bürger, Festivalbesucher und Betroffene wollen sich Gehör verschaffen.

"Wenn man ernst genommen werden will, darf man nicht auf dem Sofa sitzen bleiben oder beim Stammtisch schimpfen, dann muss man auch was machen", meint Schröder.

Ob die Nachricht ihren Adressaten erreicht, bleibt offen. Oberbürgermeister Adolf Sauerland lässt sich nicht blicken. Auch niemand sonst aus der Verwaltung traut sich vor die Tür, die von Polizeibeamten bewacht wird - für den Fall, dass die Demonstranten das Rathaus stürmen sollte.

Und dabei wollen die meisten keinen Krawall, sondern Antworten. "Der Oberbürgermeister soll zu seiner Verantwortung stehen, uns in die Augen schauen", sagt Yvonne Schuffelhauer (33). Ähnlich sieht das Frank Schertes (47): "In dieser Sache haben sich viele schuldig gemacht. Doch der Bürgermeister trägt die Verantwortung und soll sich dieser jetzt auch stellen."

Die Situation bleibt ruhig. Über das Megaphon berichten Augenzeugen von ihren Erlebnissen, unbeteiligte Bürger sprechen über Schuldgefühle, andere fordern einen Boykott der Fitness-Kette des Loveparade-Veranstalters. Journalisten aus Italien, China und Spanien sind vor Ort. Fotoapparate klicken, Fernsehkameras dokumentieren das Geschehen.

Dann wird es plötzlich leiser. Nur vereinzelt sind Stimmen von Menschen zu hören, die in hitziger Diskussion nicht mitbekommen haben, dass Markus Schröder zu einer Schweigeminute aufgerufen hat. "Pssst", zischt es in Richtung der Unaufmerksamen. Dann herrscht Stille. Nur der Brunnen, der den Rathausvorplatz zieren soll, plätschert vor sich hin. Ein Hund bellt.

Es ist kurz vor 11 Uhr, als der Organisator die Menge aufruft, in die Innenstadt zu ziehen. "Und das bitte friedlich." Ein Ordner von der Statur eines Kugelstoßers überwacht den Abzug. Die Polizei sorgt fürs Geleit. Alles läuft wie geplant. Veranstalter Markus Schröder ist zufrieden. "Wir wollen keinen Ärger, sondern ein Zeichen setzen."