Neuer Streit um Loveparade - Abwahlantrag gegen Sauerland
Fast ein Jahr nach der Loveparadekatastrophe reißt der Streit um die Schuld immer noch nicht ab. Duisburger Bürger starten einen neuen Anlauf zur Abwahl des Ratschefs Sauerland und wieder einmal steht die Polizei unter Beschuss.
Duisburg (dpa). Der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) muss wegen der Loveparade-Katastrophe vom Juli vergangenen Jahres mit einem neuen Abwahlantrag rechnen. „Wir starten das Verfahren so bald wie möglich“, kündigte der Duisburger Bürger Werner Hüsken am Montag an. „Die Stadt hat mit der alten Spitze keine Zukunft.“
Am Wochenende waren wegen des Unglücks mit 21 Toten neue Vorwürfe gegen die Polizei aufgetaucht. Der „Spiegel“ meldete, die Staatsanwaltschaft habe der Polizei in einem Bericht vom Januar gravierende Fehler in der Einsatzplanung vorgeworfen. Der Schichtwechsel der Polizei sei mitten in der „heißen Phase“ der Veranstaltung erfolgt.
Die Linke im NRW-Landtag beantragte für diesen Donnerstag eine Aktuelle Stunde in der Plenarsitzung. Über die „gravierenden Fehler“ der Polizei müsse das Parlament debattieren. Der Düssseldorfer Rechtsanwalt Julius Reiter wiederholte seine Forderung nach einer schnellen und unbürokratischen Entschädigung.
Das „unwürdige Gezerre“ um die Verteilung der Schuld werde voraussichtlich noch Jahre dauern. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft NRW, Erich Rettinghaus, wies die Vorwürfe gegen die eingesetzten Beamten zurück. Auch die Polizei müsse sich an Arbeitsrecht halten und ihre Kräfte austauschen, ein solcher Austausch finde aber „fließend und unter Wahrung der übertragenen Aufgaben statt“.
Die Einsatzplanung sei korrekt. Ständige Anschuldigungen brächten gar nichts, solange die Fakten zum Sachverhalt noch nicht klar seien, sagte Rettinghaus. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln seit dem Katastrophenwochenende mit großem Aufgebot. Allein fünf Staatsanwälte seien mit Vernehmungen und der Auswertung der Massen von Material beschäftigte, sagte der Sprecher der Duisburger Anklagebehörde Rolf Haferkamp.
22 000 Blatt Akten - mehr als 40 Bände - seien mittlerweile gefüllt, zahllose Fotos und Videomaterial ausgewertet und 2500 Zeugen vernommen worden. Als Beschuldigte gelten seit Jahresbeginn 16 Menschen - nach unbestätigten Berichten sind darunter mehrere städtische Mitarbeiter, nicht aber der Oberbürgermeister.
Staatsanwalt Haferkamp sagte dazu nur, dass sich die Zahl der Beschuldigten nicht geändert habe. Über Anklageerhebungen oder Verfahrenseinstellungen in einzelnen Fällen werde erst entschieden, wenn das gesamte Ermittlungsverfahren abgeschlossen ist, erklärte der Sprecher.
Ermittelt wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung oder fahrlässigen Körperverletzung. Für ein Abwahlverfahren gegen Sauerland hatte der Duisburger Bürger Hüsken schon unmittelbar nach dem Unglück in kurzer Zeit rund 10 000 Stimmen gesammelt.
Der Rat der Stadt verweigerte dem Abwahlantrag aber die nötige Zweidrittelmehrheit. Nach einem neuen Gesetz, das an diesem Mittwoch (18.5.) vor der Verabschiedung im NRW-Landtag steht, ist künftig eine direkte Abwahl aber ohne Ratszustimmung möglich. Die Kritiker sehen die politische Verantwortung für das Unglück mit 21 Toten beim Stadtoberhaupt.
Der Streit um die Schuld seit dem Sommer vergangenen Jahres habe zu einem Machtvakuum in Duisburg und einem „erheblichen Imageproblem“ für die Industriestadt geführt, sagte Hüsken. Nach dem neuen Gesetz müssen in Großstädten 15 Prozent der Wahlberechtigten ein Abwahlbegehren unterschreiben, um das Verfahren in Gang zu setzen.
Bei 344 000 Wahlberechtigten in Duisburg entspricht das rund 52 000 Stimmen. „Das wird hart, aber wir werden alle Möglichkeiten nutzen, die Leute zu informieren“, sagte Hüsken.