Landtagswahl in NRW 2017 SPD-Politiker René Schneider: „Wir verstehen die Menschen nicht mehr“

In einem Blogbeitrag beschreibt der Landtagsabgeordnete René Schneider eine Entfremdung der Politiker von den Wählern - und fordert Veränderungen im politischen Handeln.

Kamp-Lintfort. Der SPD-Landtagsabgeordnete René Schneider aus Kamp-Lintfort hat seinen Wahlkreis Wesel II knapp gewonnen. Zwei Tage nach dem SPD-Debakel sorgt Schneider mit einer bemerkenswerten Replik auf den Wahlkampf für Aufsehen. In einem Blogbeitrag für seine Homepage beschreibt Schneider eine Entfremdung der Politiker von den Wählern, die ihn selbst überrascht habe und sein politisches Handeln verändern soll.

Schneider, der seit 2012 Mitglied des Landtages ist und sich seit 1997 in Wahlkämpfen engagiert, beklagt: "Wir verstehen die Menschen nicht mehr" und stellt drei Thesen auf.

Schneider ist sich sicher, dass der Info-Stand ausstirbt. Er schreibt: Nur, weil man es von uns erwartet und uns vor allem die eigenen Anhänger sehen wollen, bauen wir noch unsere roten Zelte und Schirme, Fähnchen und Thermoskannen auf den Wochenmärkten auf. So wie aber die Markt-Kundschaft weniger wird, buhlen wir auch um eine immer geringer werdende Aufmerksamkeit." Klüger sei es, an Haustüren zu klingeln und in intensive, qualitativ hochwertige Gespräche zu kommen.

Zweitens schreibt Schneider: "Mit Online-Präsenz alleine gewinnen wir keine Wahlkämpfe. Ohne Online-Präsenz werden wir sie aber sicherlich verlieren. " Der Kamp-Lintforter berichtet über ein Video, dass er mithilfe der Jusos in den sozialen Medien hochgeladen habe und das viel positive Aufmerksamkeit erhalten habe. Aber Schneider hat auch eine gewisse Beliebigkeit verspürt. "Ich glaube, dass Annoncen in Zeitungen genauso wie Presseartikel noch immer ein wichtiges Kampagnenwerkzeug sind. Vor allem bei der Bewerbung von Veranstaltungen merke ich, dass die Unverbindlichkeit im Netz sehr groß ist und eine Zusage bei Facebook wenig gilt. Wer sich aber aufgrund eines Zeitungsartikels telefonisch anmeldet, der kommt auch, weil er sich tatsächlich mit dem Inhalt auseinander gesetzt hat und nicht nur ein cooles Foto oder die Überschrift gemocht hat."

Drittens, und das ist bemerkenswert: "Wir verstehen uns nicht mehr. Mir war manchmal, als gebe es da eine unsichtbare Schranke zwischen mir und den Menschen, denen ich auf Märkten und Plätzen begegnet bin. Ein Unverständnis nicht nur im semantischen Sinne, wenn ich beispielsweise von Kommunen sprach, statt Städte und Gemeinden zu sagen." Schneider beschreibt eine Situation in einer Kneipe auf einer Podiumsdiskussion, bei die Pilsrunde an der Theke scheinbar desinteressiert weggehört hatte. Nachher sei klar geworden: Die Herren wären gern an den Debatten-Tisch gebeten worden. Schneider habe den Rest des Abends am Tresen verbracht. Eine persönlicher Wendepunkt, wie er schreibt. "Ich will raus aus meiner eigenen Filterblase und möglichst viele andere zum Platzen bringen."