Menschen-Google soll man sich nicht widersetzen

WZ-Autorin Juliane Kinast findet, dass es mehr Sinn macht, in Australien die Bevölkerung um Tipps zu bitten, als das Internet oder Straßenkarten.

Der Weinberg von Carla Falk von der Winery Newtons Ridge.

Düsseldorf. An Tag zwei unseres Roadtrips auf der Great Ocean Road stehen wir früh auf und brechen zu ihren eigentlichen Sehenswürdigkeiten auf. Die sind sehr spektakulär und fotogen. Vor allem aber: kaputt.

Beworben wird auf Wikipedia etwa der Island Archway, ein 25 Meter hoher Bogen, als eine der bekanntesten Gesteinsformationen Australiens. Der ist allerdings überhaupt nicht mehr zu besichtigen, weil er am 10. Juni 2009 eingekracht ist.

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Die Zwölf Apostel in der Nähe der Küstenstadt Port Campbell sind zumindest noch in Teilen vorhanden - und angeblich nach dem Uluru (früher von den Weißen Ayers Rock genannt) die zweitmeistfotografierte Attraktion des Kontinents. Acht der Felssäulen ragen noch aus der Brandung an der spektakulären Steilküste - Tendenz dank der natürlichen Erosion weiterhin sinkend.

Auch noch - Betonung auf noch - zu sehen ist ein Bogen des Felsens "London Bridge", der bis 1990 mit dem Festland verbunden war, dann aber einstürzte - zwei Touristen waren auf dem vebleibenden Bogen gestrandet und mussten mit Helikoptern gerettet werden; man stelle sich ihr Entsetzen vor, als hinter ihnen plötzlich der Boden wegsackte. Immerhin wurde der Fels danach ehrlicherweise in "London Arch" umbenannt, weil er ja nun keine Brücke mehr ist.

Die Zwölf Apostel hingegen heißen weiterhin beharrlich Zwölf Apostel. Nach dem etwa fünfzigsten Foto von den acht Aposteln haben Victoria und ich genug vom Touri-Gewimmel an der Hauptstraße und überlegen, einem in ihrer Karte beworbenen Gourmet-Trail ins Hinterland zu folgen. Der allerdings erweist sich als kilometerlanges Herumgegurke auf der erfolglosen Suche nach Ess- oder Trinkbarem. Auf einem Gourmet-Trail durchaus enttäuschend.

Also stoppen wir in Timboon und ich probiere wieder mein "Menschen-Google", wie ich es nenn: In Australien hat es sich bisweilen als hilfreich herausgestellt, einfach mal die ortsansässige Bevölkerung zu befragen statt Internet und Straßenkarten. Also gehe ich in das einzige Café am Platze und frage die Mittfünfzigerin hinter der Theke, ob es in der Nähe nicht eine Winery gebe.

"Ich bin eher ein hochprozentiges Mädchen", antwortet sie lachend - und sehr australisch. Aber sie hat doch im Kopf, dass da irgendwo ein Winzer sei. Und so begegnen wir Carla Falk, deren Familie in der Nähe des hübsch klingenden Ortes Cooriemungle die Winery Newtons Ridge betreibt. Carla ist eine fröhliche Frau mit Draußen-Gesicht und grauen Haaren; sie begrüßt uns mit ihrer Dackeldame, die vor der Tür in der Sonne Eidechsen jagt, während wir umgeben von alten Eichenfässern zur Weinverkostung eingeladen werden.

Was immer Carla uns serviert, ist so anders, als alles, was ich bisher probiert habe. In jedem Wein, ob Rosé oder Sauvignon Blanc, schmeckt man die Erde des kleinen Weinbergs, die großen Rosen, die Falks gleich nebenan züchten. Ich bilde mir ein, auch zu schmecken, dass jede Traube mit der Hand gepflückt wurde. Aber das ist natürlich Unsinn. Carla verabschiedet uns mit insgesamt sechs Flaschen Wein, die wir nicht umhin kamen zu kaufen, und dem Rat, bei der Käsefarm ein paar Kilometer weiter zu halten. Und das tun wir.

Bei Apostle Whey Cheese kommen wir gerade an, als im Paddock, der als "Muh-tterschafts-Stall" ausgewiesen ist, ein Kälbchen zur Welt kommt. Hinter dem Verschlag erstrecken sich grüne Wiesen, auf denen schwarzweiße Kühe grasen. Hier gibt es Käse von glücklichen Kühen, das ist klar. Und serviert wird er von Wendy, der ebenso fröhlichen Verkäuferin, die uns Camemberts, Blauschimmelkäse, Cheddar und Havarti aus eigener Produktion vorsetzt und uns im Anschluss mit dem Tipp verabschiedet: "Haltet die Straße runter auch bei Gorge Chocolates!" - was wir natürlich tun; dem "Menschen-Google" sollte man sich nicht widersetzen.

Mit Wein, Käse und Milchschokolade aus eigener Herstellung im Gepäck fahren wir schließlich zurück Richtung Küste und sind einmal mehr begeistert, wohin uns unser Plan, gar nichts zu planen, geführt hat. Ein bisschen schweren Herzens begeben wir uns auf die Heimfahrt Richtung Melbourne. Die Weitsicht über die herrliche Küste wieder gegen den Ausblick auf die jeweils nächste Betonwand zu tauschen, ist nicht verlockend.

Aber zum Glück wissen wir ja, wie wir uns einen solchen Abend versüßen - und beenden ihn mit einer Flasche Shiraz am Strand von Port Melbourne, um die Ecke von Victorias Wohnung. "Das war einfach perfekt!", sagt sie und seufzt. Ja, ich weiß, sie wiederholt sich. Aber Recht hat sie trotzdem.