Der Bundesliga-Winter-Check 2015/16 Der FC Bayern hat alles — nur keine eigenen Talente mehr
Der Rekordmeister im Winterpausen-Check. Zum Ende der Saison drohen dem Liga-Überflieger Probleme.
Schwäche und Stärken in der Hinrunde
15 Siege, ein Remis in Frankfurt, eine Niederlage in Gladbach: Der Rekordmeister macht keinen Umweg auf seinem Weg zu Pep Guardiolas drittem Meistertitel in Deutschland. Wie die Bilanz, in die das Überwintern in DFB-Pokal und Champions League eingeschlossen ist, liest sich die Analyse: Die Bayern spielen variantenreicher als je zuvor, daran sind auch die starken Zugänge Douglas Costa, Joshua Kimmich, Kingsley Coman und mit Abstrichen auch der Chilene Arturo Vidal beteiligt. Auch ein Trumpf: Ur-Bayer Thomas Müller schießt in dieser Saison so viele Tore wie noch nie in seiner Karriere: 14 in der Liga, sieben in Champions League und Pokal. Die Rolle als Führungsspieler füllt er aus, der Vertrag bis 2021 ist ein Zugeständnis an seinen Verein. „Es war sicherlich auch ein Zeichen, dass der FC Bayern ein Verein ist, von dem man nicht weggeht, auch wenn in England zurzeit viel geboten wird“, sagte Müller im Trainingslager in Doha. Eine kleine Schwäche: In der Champions League ging nach Gegentoren schon mal die Stabilität verloren.
Die Personalsituation hat sich deutlich entspannt, es wird kein neuer Spieler mehr kommen. Nur Franck Ribéry, Medhi Benatia und Mario Götze konnten nach ihren Verletzungen noch nicht ins Teamtraining. Sie werden auch zum Rückrundenstart beim Hamburger SV noch fehlen, aber der Kader fängt das locker auf, selbst wenn mit Gianluca Gaudino (FC St. Gallen, Leihe), Jan Kirchhoff (AFC Sunderland, 1 Million Euro) und Sinan Kurt (Hertha BSC, 500 000 Euro) Spieler aus der dritten Reihe ihr Experiment „Wie schaffe ich den Durchbruch auf höchstem Niveau“ beendet haben.
Konflikte drohen in der Offensive, wo ein Überangebot von herausragenden Spielern mit ausgesprochenem Star-Bewusstsein um wenige Plätze rangeln. Spieler wie Arjen Robben (Alternative Coman), Franck Ribéry (Costa) oder Mario Götze (gegen alle) werden an Eifersucht zulegen, wenn sie in der heißen Phase auf der Bank sitzen. Es wird darauf ankommen, wie viel Autorität Guardiola angesichts seines Abgangs in wenigen Monaten im Mannschaftskreis bleibt, um diese Hahnenkämpfe zu moderieren. Bislang ist ihm das stets gelungen — auch, weil Robben und Ribéry oft verletzt waren, und auch Götzes Ausfall Konfliktpotenzial raubte.
Keiner, auch wenn Mario Götze sich hier und dort mal etwas subtil geäußert hat. Weil der Weltmeister aber unter dem neuen Trainer Carlo Ancelotti im Sommer nach der Europameisterschaft einen neuen Anlauf nehmen kann, dürfte er bleiben.
Viel kann man dem FC Bayern bei seiner Kaderzusammensetzung nicht vorwerfen, eines aber ganz sicher: Beinahe gänzlich fehlen dem FC Bayern ganz junge Perspektivspieler, ob sie aus Deutschland oder auch aus dem Ausland kommen. Kimmich und der nur ausgeliehene Conan stehen diesbezüglich allein auf weiter Flur. Talente wie Gaudino und Kurt oder auch der nach Schalke ausgeliehene Pierre-Emile Höjbjerg, die Guardiola entwickeln wollte, sind allesamt weg, der abwandernde Trainer scheint nur noch den kurzfristigen Erfolg im Blick zu haben. Der FC Bayern hat Verjüngungsbedarf — und hat noch keine Möglichkeit gefunden, wie der Verein selbst die besten Talente im Verein halten und weiterbringen kann. Dabei ist er mit Spielern wie Schweinsteiger, Lahm oder Müller in der Vergangenheit gut gefahren. Dieses Modell allerdings stirbt aus.
In diesem Kader werden die großen Überraschungen ausbleiben, weil alle Spieler, die spielen werden, ob ihres ohnehin erreichten Leistungsstands nicht mehr überraschen können.
Guardiola hat bekannt, in England eine neue Herausforderung zu suchen. Damit musste der Verein seit dessen Amtsantritt mit Datum vertragsablauf rechnen, trotzdem ist das in der Mannschaft nicht gut angekommen. Jetzt will der Trainer seine kleine Ära den Titel sechs bis acht abrunden, von denen der Königsklassen-Gewinn das ausgemachte Clubziel ist — alles andere lässt sich schwer verkaufen und würde Guardiola als Niederlage ausgelegt. Der Katalane arbeitet gegen diese Sicht an: „Titel sind nur Nummern“, sagte er im Trainingslager in Katar. Durchsetzen wird er sich mit seinen vorrangigen Zielen — ein perfektes Spiel und stets verbesserte Spieler — aber kaum. Dementsprechend nervös wirkt der Trainer. Im Februar wartet im Achtelfinale der Champions League mit Juventus Turin die erste Klippe.