Unwürdiger Stanislawski-Abschied: „Stich ins Herz“
Hamburg (dpa) - Als Aufstiegs-Held Holger Stanislawski nach dem 1:8 gegen Bayern München und der höchsten Niederlage der Bundesliga-Geschichte zur Ehrenrunde durch das Millerntor-Stadion aufbrach, erhoben sich die St. Pauli-Fans und spendeten dem scheidenden Trainer des Absteigers Ovationen.
„Das Spiel war wie ein Stich ins Herz“, gestand der Coach, der vom FC St. Pauli zu 1899 Hoffenheim wechseln wird und nach 18 Jahren beim Kiezclub alles andere als einen würdigen Abschied erlebte. „Nach so einem Spiel eine Runde zu drehen, ist schwer genug, aber das war mein persönliches Dankeschön an unsere tollen Fans“, sagte der 41-jährige Ur-Hamburger.
„Doch die überaus freundliche Verabschiedung durch die Fans wird immer ein Highlight meiner Karriere sein“, betonte Stanislawski, der über die Leistung seiner einfach nicht erstligareifen Mannschaft den Mantel des Schweigens deckte. „Sonst würde vieles von den positiven Dingen, die hier in den letzten 18 Jahren aufgebaut worden sind, mit einem Schlag zerstört werden.“ Dass er sich seinen Abschied ganz anders vorgestellt hatte, gab er am Ende aber doch preis. „Es war super-desolat“, meinte „Stani“, der wie „Co“ André Trulsen vor dem Spiel von Teammanager Christian Bönig („Ein Trainer geht, ein Freund bleibt“ mit warmen Worten verabschiedet worden war.
Dass seine Braun-Weißen ihn beim höchsten Liga-Auswärtssieg der Bayern bei sommerlichen Temperaturen im Regen stehen ließen, schmeckte ihm gar nicht. Immerhin waren die Akteure selbstkritisch, die zum elften Mal in Serie sieglos blieben und die bisherige „Negativ-Bestmarke“ (1989/90: 0:7 in Düsseldorf) auch noch daheim überboten. „Das war enttäuschend, beschämend und peinlich, wir haben uns richtig abschlachten lassen“, so Keeper Thomas Kessler, dem man trotz der acht Gegentore noch die wenigsten Vorwürfe machen konnte.
Stürmer Marius Ebbers sieht im Abstieg „die Chance zum Neuanfang. In der 2. Liga wollen wir in der nächsten Saison wieder angreifen“. Während sich Keeper Kessler vorstellen kann, zu bleiben, „wenn die Voraussetzungen stimmen“, gibt es rund ein Dutzend personelle Fragezeichen. Verabschiedet wurden am Samstag nur Bastian Oczipka und Richard Sukuta-Pasu, die zu Bayer 04 Leverkusen zurückkehren.
„Wir wollen alle 16 Stammspieler halten“, betonte Sportchef Helmut Schulte erneut und meinte die am meisten eingesetzten Profis. Bisher verhandelt hat er mit den wenigsten, denn die Suche nach dem nun in André Schubert (noch SC Paderborn) gefundenen Coach hatte Priorität. Da er nun für Liga 2 planen kann, kann er damit loslegen. Fraglich ist vor allem, ob Leistungsträger wie Kessler, Gerald Asamoah, Carlos Zambrano, Max Kruse und Matthias Lehmann gehalten werden können.
Während personell noch vieles im Umgewissen liegt, ist der Verein wirtschaftlich auf das Unterhaus vorbereitet. „Der Zweitliga-Etat wird bei rund 24 Millionen Euro liegen“, sagte Geschäftsführer Michael Meeske. Das sind 16 Millionen weniger als in der Eliteliga, aber ein Drittel mehr als im Aufstiegsjahr 2009/10 zur Verfügung stand. Die langfristig angelegten Verträge mit den Hauptsponsoren werden zwar der Zweitklassigkeit angepasst, doch dem Verein gehen nur im Bereich der TV-Gelder Einnahmen verloren. Dies allerdings in einem empfindlichen Maße, wie Sportchef Schulte betonte.