Leichtathletik-WM: Die deutschen Tops und Flops

Warum der Leistungstrend der deutschen Leichtathleten in der vorolympischen Saison eindeutig nach oben weist.

Daegu. Im Gepäck der deutschen Leichtathletik liegen insgesamt sieben WM-Medaillen, davon drei goldene. Eine Analyse mit Tops und Flops.

Die Mannschaft summierte sich aus Weltklasseathleten und erfolgreichen U-23-Athleten, die mit Bedacht integriert werden. Die Grenzen sind fließend, wie sich bei Kugelstoßer David Storl zeigt.

Seit fünf Wochen ist der Junior 21 Jahre alt, hat in Daegu seine Bestleistung um 73 Zentimeter gesteigert. Seine 21,78 Meter sind Gold wert. „David Storl ist ein Jahrhunderttalent“, sagt Thomas Kurschilgen.

Frühzeitig entdeckt und in den Landeskadern erfasst. Sein Plus: Der Chemnitzer ist genetisch höchst begünstigt und unter Sven Lang in den vergangenen fünf Jahren behutsam aufgebaut worden.

Früh bei Großereignissen Erfahrungen zu sammeln, zahlt sich aus. Bei der Heim-WM in Berlin ist Storl in der Qualifikation gescheitert. Und was kommt nach dem Titel? „Erst mal meine Ausbildung weiter machen.“ Am 29. August ist es für die Polizeimeister-Anwärter wieder los gegangen. Nur einer hat gefehlt: David Storl. Aus gutem Grunde.

Die Deutschen sind eine Wegwerfgemeinde. Ob mit der Kugel, dem Diskus, einem Hammer oder Speer, sie treffen auf Edelmetall. Fünf der sieben Medaillen hat die Sparte Wurf erwirtschaftet. Dank Nadine Müller, Robert Harting, Matthias de Zordo & Co. wird der DLV in der Medaillenstatistik wie der Nationenwertung auf Position fünf geführt.

Auf dem Kontinent ist in der vorolympischen Saison nur Russland leistungsstärker. In London 2012 geht es nach dem Tiefpunkt von Peking bei den Sommerspielen um das beste Ergebnis der Dekade. Doch auch dort gilt: Lilliput drängelt. In Südkorea haben 33 Nationen eine Medaille gewonnen, Leichtathletik ist globaler denn je.

Knapp ein Drittel der 47 WM-Disziplinen sind ohne deutsche Beteiligung ausgetragen worden. Vom Dreisprung abgesehen alles Laufwettbewerbe. Überdurchschnittliche Talente wollen sondiert und gefördert werden. Mut machen Ergebnisse wie der Europarekord der Sprintstaffel bei der U-20-EM in Tallinn oder die Bronzemedaille der Kölnerin Leena Günther bei der EM der Junioren.

Die Kölnerin war in Daegu dabei — zum Lernen. „Wir sind als Mannschaft stark genug, den ein oder anderen Rückschlag aufzufangen“, sagt der Chef-Bundestrainer Cheick-Idriss Gonschinska, „es ist logisch, dass in einer großen Mannschaft nicht alle Träume aufgehen.“ Dass die beiden Sprintstaffeln gestern ihre Wechsel kläglich verpatzt haben, grenzt an Unvermögen.

„Meine Seele ist zweigeteilt“, sagt Boris Henry. Der Bundestrainer der Speerwerfer erlebte in Daegu emotionale Extreme. Nach dem enttäuschenden vierten Platz von Christina Obergföll, war er vom Gold des Matthias de Zordo überrascht.

„Das zerreißt einen in der Mitte. Man hat eine ganz schwere Nacht hinter sich, in der man die Lebensgefährtin trösten muss“, sagt der Saarbrücker, „dann freut man sich über den Riesenerfolg, den man beim besten Willen nicht erwartet hätte.“

Im Trainingslager auf der koreanischen Insel Jeju haben sich die WM-Nominierten gesammelt. Mit bewegenden Bildern von Berlin, dem WM-Ort 2009, hat die Teamleitung zwei Botschaften gesendet: Daegu ist eine große Herausforderung. Und: Grenzen überwinden. Die Vorgabe, Willen und mentale Stärke zu zeigen, hat ein Robert Harting bis in die schmerzende Patellasehne verinnerlicht. „Mit diesen Siegertypen gehören wir zurecht zu den besten Nationen“, sagt Sportdirektor Thomas Kurschilgen.

Knapp die Hälfte aller deutschen Athleten hat in Südkorea eine Bestleistung oder einen saisonalen Bestwert geschafft.

Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause und Georg Fleischhauer über 400 Meter Hürden mit beachtenswerten 48,72 Sekunden im Vorlauf zeigen, dass es lohnenswert ist, als Verband auch noch kurzfristig zu reagieren.

Die 19-Jährige aus Frankfurt ist mit Last-Minute-Ticket nach Daegu gereist. Ihr Lohn: U-20-Europarekord und Platz neun. Wer sich, wie der Dresdner Fleischhauer, beim Saisonhöhepunkt um mehr als sieben Zehntelsekunden steigert, ist ein Mann der Zukunft.