Aktiencrash: Börsenanleger in Panik

Experten raten zur Besonnenheit – bisher jedoch vergeblich.

Frankfurt. In den Börsencasinos der Welt geht fast nichts mehr. Die Aktienmärkte in New York und Tokio machten den Anfang, dann zog der deutsche Leitindex Dax nach und verlor gestern in der Spitze bis zu elf Prozent. Binnen einer Woche büßte er ein Viertel seines Wertes ein.

Volkswirte sprechen von "Ausverkauf" und "Käuferstreik". Die Finanzmarktkrise hat sich zu einer Börsenkrise ausgewachsen - und der Tiefpunkt ist nach Experteneinschätzung noch nicht in Sicht.

Die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, Gertrud Traud, zeigt sich fassungslos: "Im Moment wird quer durch den Garten alles verkauft: Auch Aktien von Unternehmen, die überhaupt nicht von der Finanzkrise betroffen sind."

Die Anleger sind getrieben von Rezessionsängsten und der Unsicherheit über die Folgen der Finanzmarktkrise. Die Bankenpleiten in den USA und Europa, die Fast-Pleite des Staates Island und immer neue Rettungspakete, die offenbar wirkungslos verpuffen, schüren Angst.

Gegen den Herdentrieb ist auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, machtlos. "Wir sagen ihnen: Nehmt wieder Vernunft an. Es gibt Vertrauenselemente" - diese Beschwörungsformel verhallte an den Märkten ungehört. Auch die gemeinsame Leitzinssenkung der sechs wichtigsten Notenbanken der Welt am Mittwoch half nur für sehr kurze Zeit.

Die Panik erklären Experten damit, dass niemand je eine vergleichbare Situation erlebt hat. Das Platzen der Internet-Blase und das Ende des Neuen Marktes gelten im Rückblick als harmlos. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sausten die Börsen zwar auch in die Tiefe - doch die Anschläge waren ein singuläres Ereignis und nicht mit der jetzigen globalen Banken-, Finanz- und Geldmarktkrise vergleichbar. Vergleichbar scheint nur die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre.

Doch es gibt durchaus Unterschiede zu damals. Die Notenbanken fluten heutzutage die ausgetrockneten Geldmärkte mit Milliarden und haben die Zinsen gesenkt. Zudem machen Banken und Versicherungen inzwischen weniger als ein Drittel der Bruttowertschöpfung in Deutschland aus - die Industrie ist ein zweites wichtiges Standbein, das noch robust scheint.

"Dieses Land wird nicht im nächsten Jahr in rauchenden Trümmern liegen, das Wirtschaften in Deutschland hört nicht auf", sagt Volkswirt Ralph Solveen von der Commerzbank.

Um die Anleger zu beruhigen, sieht Börsenexperte Joachim Goldberg von der Gesellschaft für verhaltensorientierte Kapitalmarktanalyse Cognitrend derzeit nur ein Gegenmittel: "Man muss die Börsen weltweit für eine Woche schließen, um eine Bestandsaufnahme zu machen und der Politik Zeit für sinnvolle Entscheidungen zu geben."